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Im Zeichen der Krähe 2: Die Totenhüterin (German Edition)

Im Zeichen der Krähe 2: Die Totenhüterin (German Edition)

Titel: Im Zeichen der Krähe 2: Die Totenhüterin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeri Smith-Ready
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Teil von ihm leistete noch Widerstand. Wie bei einer Reise über eine Klippe war der letzte Schritt der schwerste.
    „Ich möchte allein sein“, sagte er dem Geist.
    Pferd seufzte. „Es mag Weisheit darin liegen, sich von anderen abzugrenzen, aber es ist nicht meine Weisheit, und es ist nicht dein Schicksal.“
    „Ich glaube nicht an Schicksal. Ich will meine eigenen Entscheidungen treffen und mein Leben selbst bestimmen.“
    „Als du Soldat warst, hast du da dein Leben selbst in die Hand genommen?“
    „Nein“, gab er zu, „ich habe Befehlen gehorcht. Aber es war meine Entscheidung, mich der Armee anzuschließen.“
    „Deine Entscheidung. In einer Welt, in der der Militärdienst das einzige Maß ist, an dem ein junger Mann sich messen kann. Im Gefolge deines Großvaters, deines Vaters und deines Bruders.“ Ihre Nüstern blähten sich. „Das soll eine Wahl sein?“
    „Das ist alles richtig. Es bedeutet aber nicht, dass ich es nicht tun wollte.“
    „Aber als du Soldat warst, warst du Teil einer Einheit, die etwas Größerem gedient hat als deinen eigenen Wünschen. Warum willst du also jetzt deinen eigenen Weg gehen?“
    „Als ich mich der Armee angeschlossen habe, haben sie die Idee, mich selbst als Einzelnen zu verstehen, aus mir herausgeprügelt. Es war nötig, um Disziplin und Zusammenhalt zu bewahren. Aber jetzt, da ich mich selbst wieder sehen kann, will ich mich nicht noch mal verlieren.“ Er rückte sein rechtes Bein zurecht. „Ich habe für das sogenannte Allgemeinwohl genug Opfer gebracht.“
    „Und doch bist du hier. Weil die anderen das von dir erwarten?“
    „Nein. Für mich. Und dich.“
    „Wir sind beide hier“, sagte Pferd sanft. „Worauf wartest du noch?“
    Nachdenklich runzelte Filip die Stirn. Das war eine berechtigte Frage. Er war nicht so weit gekommen, um sich jetzt zu verstecken und wie ein bockiger kleiner Junge zu schmollen. Es war Zeit, wie ein Mann zu handeln.
    „Auf nichts.“ Er stand auf. „Und jetzt?“
    „Komm her und reinige dich.“
    Sie gingen durch das sumpfige Gras bis in die Mitte einer Lichtung, die von hohen Pinien umgeben war.
    Filip sah kein frisches Wasser. Er drehte sich zu Pferd um. „Wo soll ich …“
    „Schsch.“ Pferd blinzelte sanft. „Sieh noch einmal hin.“
    Er drehte sich um und fiel vor Überraschung fast hin. Keine fünf Schritte von ihm entfernt rollten sanfte Wellen über ein Becken voll leuchtendem Wasser.
    „Tauch ein.“
    Wie gebannt von den winzigen sprudelnden Wellen trat Filip einen Schritt näher an das Becken heran.
    Pferd schnaubte. „Zieh dich zuerst aus.“
    Filip zögerte. Niemand bis auf Zelia, die Otter-Heilerin, hatte ihn seit seiner Verletzung nackt gesehen. Zu Hause, bei Tereus, hatte er sich im Dunkeln ausgezogen, um sich vor dem Schwan zu verbergen, aber auch vor sich selbst.
    Er hatte es satt, sich zu schämen. Wenn er sich seinem Geist nicht zeigen konnte, dann konnte er sich auch Alanka nie zeigen, und ihre Liebe würde nie vollkommen sein.
    Filip zog sich das Hemd aus und löste den Verschluss seiner Hose. Dann setzte er sich auf den Boden, um die Riemen seiner Prothese zu öffnen. Sie scheuerte gegen sein Knie und den Stumpf seiner Wade, als er sie abnahm, weil er sie zu lange getragen hatte. Als er sich zwei Tage zuvor in seine Gedankenwelt geflüchtet hatte, war ihm nicht in den Sinn gekommen, sie abzulegen.
    Nachdem er seine Kleidung abgelegt hatte, schob Filip sich an den Rand des Beckens und tauchte sein rechtes Bein ein.
    Ein brennender Schmerz schoss ihm von seinem Fuß bis in die Hüfte, und Filip schrie auf.
    Pferd murmelte etwas, das er nicht hören konnte, aber sein Tonfall klang besorgt und überrascht.
    „Muss das so wehtun?“, fragte Filip den Geist und atmete ein paarmal tief durch.
    „Wenn du untertauchst, sollte der Schmerz nachlassen.“
    Er zog das Bein aus dem Wasser. „Meinen ganzen Körper da eintauchen? Glaubst du, ich bin wahnsinnig?“
    „Auf die Weihung musst du dich vollkommen einlassen. Vielleicht brennt das Wasser, weil du noch nicht ganz zu uns gehörst.“
    „Wenn es mich abstößt, dann wäre es mehr als dumm, mich ganz hineinzuwerfen.“
    Pferd trat einen Schritt vor. „Wer stößt wen ab?“
    Er hatte recht. Halb war zu weit und doch nicht weit genug. Mit dem Gesicht voran warf Filip sich in das Becken.
    Das Wasser brannte wie Feuer. Er drückte sich an die Oberfläche, stieß mit seinem Kopf über Wasser, und erwartete zu sehen, wie das Becken sich mit seinem

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