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Im Zeichen der Krähe 2: Die Totenhüterin (German Edition)

Im Zeichen der Krähe 2: Die Totenhüterin (German Edition)

Titel: Im Zeichen der Krähe 2: Die Totenhüterin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeri Smith-Ready
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eigenen Blut füllte. Doch es war so klar wie zuvor.
    Dann ließ der Schmerz nach. Das plötzliche Ende war fast schmerzhafter als die Qualen selbst. Er nahm einige tiefe rasselnde Atemzüge. Innerhalb von wenigen Augenblicken hatte er sich allerdings wieder beruhigt. Er wischte sich das Wasser aus Augen und Nase und merkte, wie die Wellen ihn streichelten, ihn erforschten, als wären sie lebendige Hände. Noch einmal tauchte er unter.
    Er ließ seinen Körper hinabsinken, immer weiter. Das Becken schien in keine Richtung ein Ende zu haben. Hier konnte er ewig schwimmen, aber wohin? Vielleicht baumelten die Geister mit einer letzten Gelegenheit, diese Welt zu verlassen, vor ihm. Er suchte nach der Verlockung und fand keine.
    Filip stieß durch die Oberfläche und sah zu Pferd hinauf. Er schlug mit dem Schweif.
    „Einen Augenblick lang“, sagte er, „dachte ich, du würdestverschwinden. Steig jetzt aus. Es wird Zeit.“
    Filip kletterte aus dem Becken auf das Gras. Noch immer kribbelte seine Haut. „Zeit für was?“
    In seiner Vision rannte Filip, genau wie er es in seinen Träumen getan hatte. Nicht mit zwei Beinen, nicht auf dem Rücken eines Pferdes, sondern auf vier Beinen, die alle zu ihm gehörten, über eine endlose Prärie hinweg. Die Herde um ihn herum drückte sich an ihn, schnaubte und atmete schwer, und Hufe prallten auf den Boden wie Donner auf Wolken.
    Einige traten aus, buckelten und wieherten, aber nicht Filip. Er wollte nur rennen, wollte den festen Boden unter seinen Füßen spüren, den gleichmäßigen Rhythmus, wollte sich an dieses Gefühl der Verbundenheit klammern, das von nichts Falschem durchbrochen war, wollte die Geschwindigkeit spüren.
    Er drängte sich rechts an der Herde vorbei und versuchte in Führung zu gehen. Der Wind rauschte in seinen Nüstern und peitschte seine Mähne gegen seinen Hals. Einige Strähnen seines goldenen Schopfes fielen ihm über das rechte Auge. Ausgelassenheit und Dankbarkeit beschleunigten seine Schritte, bis er sich der ersten Reihe näherte und an der äußeren rechten Flanke entlangrannte.
    Dann sah er es in der Ferne. Er senkte den Kopf, um besser sehen zu können. Die Augen an der Seite des Kopfes zu haben war für ihn noch ungewohnt. Vielleicht war es nur eine Illusion, geschaffen durch das lange tanzende Gras.
    Nein. Vor ihnen hörte die Welt auf. Die Prärie war nicht endlos – sie war eine Ebene, und die Herde war kurz davor, über ihren Rand in einen weiten Abgrund zu stürzen.
    Er verringerte ein wenig die Geschwindigkeit, bog nach rechts ab und machte sich bereit, anzuhalten. Er war der Einzige.
    „Nein!“, versuchte er mit lautem Wiehern zu rufen. „Halt!“
    Sie hörten nicht auf ihn. Er rannte schneller und trieb seinen Körper nach links, um die anderen Pferde abzulenken. Es war noch Zeit, umzukehren, wenn sie jetzt die Richtung wechselten.
    Statt auf seine Warnung zu hören, überrannte ihn die Herde in einer Welle aus Beinen und Hufen und Leibern, einer Welle, die genauso wenig aufgehalten werden konnte wie die des Meeres.
    Filip wurde von der Herde verschluckt. Wenn er jetzt stehen blieb, trampelten sie ihn nieder. Seine Beine taten ihm weh, und sein linker Hinterhuf schmerzte stechend bis hinauf ins Sprungbein.
    Die Klippe kam drohend näher. Er reckte den Hals, um nach einer Öffnung zu suchen, nach einem Weg, der Herde zu entkommen.
    Rechts von ihm tat sich eine kleine Lücke auf. Er schwenkte in diese Richtung und stieß dabei mit dem Vorderhuf gegen den Hinterhuf des Pferdes vor ihm. Sie stolperten beide. Filip streifte mit einem Knie den Boden, ehe er sein Gleichgewicht wiederfand.
    Mit letzter Kraft sprang Filip weit genug zur Seite, um die Herde an sich vorbeirennen zu lassen. Stolpernd kam er zum Stehen und spürte dabei einen stechenden Schmerz in seinem linken Hinterbein.
    Brust und Flanken wogten zu schwer, um eine letzte Warnung auszustoßen, und er sah zu, wie die Herde auf die Klippe zubrauste und über den Rand fiel. Er wandte sich ab und wartete auf ihre Schreie.
    Sie ertönten nicht. Nach wenigen Augenblicken sah er sich nach dem leeren Rand der Klippe um. Dort regte sich nur noch der Staub.
    Er hinkte an den Klippenrand und spähte darüber hinweg. Die anderen Pferde waren verschwunden. Sie lagen nicht in einem blutigen Haufen am Boden des Abgrunds. Sie waren einfach verschwunden.
    Er dachte, seine Vision wäre vielleicht vorbei, und merkte dann, dass er immer noch vier Beine hatte, von denen eines begann, heiß zu

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