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Im Zeichen der Menschlichkeit

Im Zeichen der Menschlichkeit

Titel: Im Zeichen der Menschlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Schomann
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werden.

    Durch Fortschritte in der Medizintechnik entwickelt sich der Blutspendedienst im Laufe der sechziger Jahre zu einem wichtigen Arbeitsfeld des Roten Kreuzes.
    © DRK
    Die ersten Bluttransfusionen im größeren Stil waren während des Spanischen Bürgerkriegs erfolgt. Im Zweiten Weltkrieg hatte sich die Technologie noch in der Erprobungsphase befunden. Es war ein Privileg, Blut zu bekommen, weshalb die Angehörigen der SS es als Auszeichnung betrachteten, dass ihnen die Blutgruppe auf den Oberarm tätowiert wurde. Die Übertragung blieb allerdings eine riskante Angelegenheit, denn wichtige Parameter wie der Rhesusfaktor waren noch gar nicht erforscht. In den Nachkriegsjahren bekommt die Medizin die Transfusion dann immer besser in den Griff. Die erste Spende beim Roten Kreuz wird 1952 in Gelsenkirchen geleistet. Bald sind Blutkonserven nach Unfällen und bei Operationen nicht mehr wegzudenken, und so entwickelt sich das Blutspendewesen zu einer der Säulen der Rotkreuzarbeit in Ost und West. Der Spender bringt ein kleines sehr persönliches Opfer, das einem unbekannten Empfänger in einer kritischen Situation zugutekommen wird. Viele der Freiwilligen zelebrieren die Blutspende wie ein Ritual, das häufig auch in Gruppen vollzogen wird, etwa gemeinsam mit Arbeitskollegen oder dem Sportverein. Die Bauern im Berchtesgadener Land legen gar ihre Festtracht an, wenn sie zum Termin ins Kreiskrankenhaus fahren.
    Eine verpasste Chance
    1959 jährt sich die Schlacht von Solferino zum hundertsten Mal, vier Jahre später dann die Gründung des Roten Kreuzes, ein Jahr darauf schließlich die Genfer Konvention. Alle drei Anlässe bringen eine ganze Reihe von Büchern hervor. Werner Legère etwa, einer der meistgelesenen Schriftsteller der DDR und unverkennbar hugenottischer Abstammung, landet mit Der Mann von Castiglione seinen größten Erfolg. Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften in aller Welt feiern die Jahrestage. Es wäre für das DRK in West wie Ost eine geeignete Gelegenheit, mit der Aufarbeitung der eigenen Rolle im »Dritten Reich« zu beginnen und darüber zu einem neuen Selbstverständnis als humanitäre Organisation zu finden. Doch eine kritische Auseinandersetzung findet nicht statt. Im Gegenteil: Anton Schlögel, Generalsekretär des bundesdeutschen DRK, hält ausgerechnet auf Herzog Carl Eduard eine Lobrede, der dem Ansehen des Roten Kreuzes als fanatischer Nationalsozialist schwer geschadet hat. Viele der problematischen personellen Kontinuitäten dienen Schlögel gerade als Beispiele für ungebrochene Rotkreuztradition, und als Kronzeugen zieht er Willy Heudtlaß heran, der als Chefreporter und Leiter der Presseabteilung mitverantwortlich für die Kriegspropaganda des DRK war und der bis in die siebziger Jahre als dessen Pressesprecher fungierte.
    Auf die alten Seilschaften ist Verlass. Während des Krieges haben höhere Funktionäre »als Belohnung für erwiesene Gefolgschaftstreue« eine zusätzliche, »vom Führer verfügte Altersversorgung« zugesagt bekommen. In den sechziger Jahren fordern sie diese dann auch ungeniert ein. Allerdings nur beim westdeutschen Roten Kreuz, selbst wenn sie, wie Friedrich Wilhelm Brekenfeld, in der DDR leben. Im »Dritten Reich« einer der militaristischen Scharfmacher, hatte er das Rote Kreuz »als Kampforganisation gegen den kulturfeindlichen, zerstörenden Weltfeind«, den Bolschewismus, propagiert. Nach dem Krieg ließ er sich in Ost-Berlin nieder und brachte es zum Leiter der staatlichen Hygiene-Inspektion.
    Parallelen zeigt der Fall des einstigen Vizepräsidenten des Roten Kreuzes in Bayern, Karl von Kraus. Nachdem er als SS -Offizier und Lebensbornarzt eine dreijährige Haftstrafe verbüßt hatte, eröffnete er zunächst eine Praxis in München. 1958 aber geht er überraschend in die DDR , die ihn als Überläufer willkommen heißt und ihm eine Klinik in Dresden zur Verfügung stellt. Nebenher arbeitet er auch noch für die Staatssicherheit. Die Korrespondenz über die Sonderbezüge füllt ganze Akten. Das Generalsekretariat lässt nichts unversucht, um sie den alten Kameraden oder ihren Angehörigen zu verschaffen – finanziert aus Spenden, Mitgliedsbeiträgen und staatlichen Zuschüssen für das Rote Kreuz.
    Wäre es zu viel verlangt gewesen, mit ähnlicher Akribie die zwielichtige Rolle dieser Männer im »Dritten Reich« zu untersuchen? Hätte man vergleichbare Summen nicht auch den Hinterbliebenen ermordeter jüdischer Rotkreuzmitglieder zur Verfügung

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