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Im Zeichen der Menschlichkeit

Im Zeichen der Menschlichkeit

Titel: Im Zeichen der Menschlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Schomann
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Putschversuch in Österreich inhaftiert worden sind. Bei den Festspielen in Bayreuth nimmt er Herzog Carl Eduard zur Seite und weist ihn an, beim Internationalen Komitee entsprechend vorstellig zu werden.
    Zwei Männer sind dort zu dieser Zeit prägend: Max Huber, bis 1944 dessen Präsident, und Carl Jacob Burckhardt, sein späterer Nachfolger. Huber ist häufiger krank, außerdem geschäftlich an einer Firma im Schwäbischen beteiligt; beides nicht gerade ideale Voraussetzungen in dieser Zeit. Burckhardts Ehrgeiz zielt vor allem darauf, auf der weltpolitischen Bühne zu glänzen. 1936 wohnt er den Olympischen Spielen bei, im Jahr darauf ist er auf dem Reichsparteitag zu Gast. Als Gegenleistung für die Intervention in Österreich kann er schließlich drei Lager besuchen. Sein interner Bericht wandert umgehend in den Tresor. Nach außen hin aber attestieren die stets höflichen Schweizer der SS ein redliches Bemühen um humane Haftbedingungen. Er habe, so Burckhardt, »in Dachau den Eindruck bekommen, dass der Kommandant seiner Aufgabe mit Anständigkeit nachkomme«. Alarmierende Berichte, die von allen Seiten in Genf eingehen, werden dagegen bagatellisiert. Einen besseren, nämlich harmloseren Partner hätte das Regime sich kaum wünschen können. Im Einklang mit der deutschfreundlichen Schweizer Außenpolitik vermeidet das Komitee tunlichst jede Konfrontation. Als deutsche Pastoren 1938 inständig bitten, Genf möge sich für Martin Niemöller verwenden, der in Sachsenhausen einsitzt, bescheidet ihnen Burckhardt, dass eine Intervention von den Machthabern »schlecht aufgenommen würde und daß man auf einen ähnlichen Schritt der Engländer sehr ungnädig reagiert habe«. Diese Intervention des britischen Lordbischofs aber hat Niemöller vor der Hinrichtung bewahrt.

    Carl Jacob Burckhardt ist einer der prägenden Männer des Internationalen Komitees. Im DRK fungiert Walther Georg Hartmann als Leiter des Auslandsdienstes.
    links: © DRK; rechts: © I. Stölting / DRK
    Durch die Passivität des Komitees entmutigt, wenden sich Hilfesuchende und Opferverbände verstärkt auch an die Liga der Rotkreuzgesellschaften. Als sich nach den Novemberpogromen des Jahres 1938 zumindest zaghafte Proteste regen, hält Walther Georg Hartmann deren Vertretern in Genf eine Standpauke: »Das DRK macht die Liga darauf aufmerksam, daß von Seiten aller möglichen Organisationen Aufrufe aufgetaucht sind, die die Grenzen überschreiten, die menschliche Teilnahme von politischen Zwecken trennt. […] Das DRK sorgt sich um die Rolle, die das Rote Kreuz im Bereich humanitärer Hilfe spielen soll.« Hartmann hat sich nach Auflösung des Jugendrotkreuzes an die Spitze der Auslandsabteilung hochgearbeitet und wird zum wichtigsten Verbindungsmann zwischen Berlin und Genf. Zwar heißt es zuweilen, er sei eine der wenigen Führungskräfte ohne Parteibuch gewesen, was in den fünfziger Jahren seine Berufung zum Generalsekretär erleichtert haben mag. Doch die Dienstaltersliste führt ihn unter der Mitgliedsnummer 2673264.
    Masse und Macht
    Ob als Betriebsärzte für den Autobahnbau oder als Begleitschwestern für »Kraft-durch-Freude-Fahrten«, bei den Prestigeprojekten des NS -Regimes kommen Rotkreuzkräfte in nie dagewesenem Ausmaß zum Einsatz. Bis zu zweitausend wirken etwa bei den Reichsparteitagen mit. Die Nürnberger Kolonne verstärkt die Sanitätswachen in der Stadt, sie betreibt Feldküchen zur Volksspeisung und schickt Mannschaften in die Bahnhöfe und Massenquartiere. Auswärtige Kolonnen unterstützen sie dabei. Schon Tage vorher sind Strom- und Wasserleitungen gelegt, Zelte aufgestellt und mit Matratzenlagern, Tragen und Verbandsmaterial bestückt worden. Jedem Zelt sind zwei Ärzte, fünfzehn Sanitäter, ein Schreiber und eine Telefonistin zugeordnet. Dreißig Kraftwagen bahnen sich ihren Weg durch die Menschenströme, um Erschöpfte in die Ambulanzzelte oder ins Krankenhaus zu bringen. 1700 Transporte und 20000 Hilfeleistungen, vom Heftpflaster bis zur Beinschiene, fallen an.
    Auch für den reibungslosen Ablauf der Olympischen Spiele im Winter und Sommer 1936 ist das Rote Kreuz unentbehrlich. In Garmisch-Partenkirchen haben Lokalmatador Hans Gazert und sein Gebirgsunfalldienst nun ein Heimspiel. Dafür begraben sie vorübergehend sogar das Kriegsbeil und treten »Schulter an Schulter« mit der Bergwacht und dem SA -Sanitätssturm an. Zusätzlich zu ihren ständigen Wachen patrouillieren sie rund um die olympischen Stätten und

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