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Im Zeichen der Menschlichkeit

Im Zeichen der Menschlichkeit

Titel: Im Zeichen der Menschlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Schomann
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hochrangiger Funktionär des Terrorapparats, soll er das Rote Kreuz behördengleich durchorganisieren und kriegsbereit machen. Anfangs kommt es ihm freilich »mehr als merkwürdig« vor. Er tritt an, ihm »alles Vereinsmäßige auszutreiben« und eine straff geführte neue »Einheit DRK « zu schaffen. Als Erstes verbietet er das Singen der Rotkreuzlieder. Flankiert wird diese nochmalige Umgestaltung durch ein entsprechendes Gesetz und eine neue Satzung, deren Geist und Wortlaut bereits unverhohlen kriegslüstern wirken. Mit einem feierlichen Eid schwören die Mitglieder Hitler fortan die Treue. Die Landesstellen folgen dem Beispiel der Zentrale, eilen ihr manchmal auch voraus. So stellt der Leiter des Bayerischen Roten Kreuzes klar: »Als Organisation des nationalsozialistischen Staates untersteht das DRK den Grundsätzen der nationalsozialistischen Weltanschauung. Es ist eine Organisation des deutschen Volkes im nationalsozialistischen Deutschland. Es ist kein internationaler Verein.« Friedrich Wilhelm Brekenfeld, der Leiter der Landesstelle III, die Brandenburg und Westpreußen umfasst, definiert es als »nationalsozialistisches Sanitätskorps – auch wenn es sich mit Rücksicht auf die Genfer Konvention Deutsches Rotes Kreuz nennt«. Die Helfer sollen »begreifen, daß auch die Sanitätstruppe eine Waffe ist. Eine Waffe, die im [Ersten] Weltkrieg täglich Tausende von Kämpfern dem Tod entriß und sie der Front wieder zuführte.« Dafür braucht es »disziplinierte und körperlich gestählte Männer«, die nun auch eine Ausbildung im Pistolenschießen erhalten. Als höchstes Ehrenzeichen verleiht das Präsidium einen Dolch, bevorzugt an Hitlers Geburtstag. Und auch bei den Schwesternschaften wird der Ton merklich schriller: Generaloberin Luise von Oertzen etwa beschwört auf deren Jahrestagung 1937 »den Wunsch, der uns Rotkreuzschwestern alle bewegt, daß wir so gerne eine bis in den Tod getreue Gefolgschaft unseres Führers sein wollen«.

    Ernst Robert Grawitz, »Geschäftsführender Präsident« des DRK, auf einer Parade zum Rotkreuztag 1939 auf der Königsallee in Düsseldorf.
    © DRK
    Konsterniert stellt das Internationale Komitee fest, dass die Ausweitung der totalitären Regime in Europa den ehernen Grundsatz der Neutralität zunehmend außer Kraft setzt, da »diese [Rotkreuz-]Gesellschaften ganz neue Praktiken üben«. Der Fall des DRK darf als Schulbeispiel für die Übernahme einer nationalen Gesellschaft durch ein diktatorisches Regime angesehen werden. Es kapert die Organisation wie Piraten ein Schiff. Dass ihr dabei ein Rest an Autonomie belassen wird, ist Teil des Kalküls, lässt sie sich doch als internationale Einrichtung nur dann instrumentalisieren, wenn zumindest nach außen hin der Schein gewahrt bleibt. Nach innen aber wird bedingungslose Anpassung erwartet, und die Dienstvorschrift für alle Anstalten des Roten Kreuzes ordnet an, dass sie »Stätten echter nationalsozialistischer Betriebsgemeinschaft sein müssen«. Die personelle Durchdringung mit SA - und SS -Kadern spiegelt das Misstrauen der Partei gegenüber den altgedienten Rotkreuzkräften wider. Die Kontrolle durch Geheimpolizei und Abwehr ist bisher nicht untersucht worden, sie dürfte aber erheblich gewesen sein.
    Bezeichnenderweise finden bis Kriegsbeginn fast keine Auslandsmissionen statt. Nur der Einsatz einiger Rotkreuzschwestern im Spanischen Bürgerkrieg sticht heraus, zumal er propagandistisch groß aufgemacht wird. Freilich erst, nachdem die Putschisten gesiegt haben – bis dahin wird diese Mission, wie die gesamte Unterstützung für Franco, als »Geheime Reichssache« behandelt. Die Schwestern sind mit der Legion Condor nach Spanien gekommen. Zu dieser Luftwaffeneinheit gehört auch ein dreimotoriges Sanitätsflugzeug, das Verwundete aus der Kampfzone in Lazarette ausfliegt und mehrfach auch zurück nach Deutschland bringt. Eine Alpenüberquerung ist damals fliegerisch wie pflegerisch noch ein kniffliges Unterfangen. In Saragossa wickeln die Schwestern ihre Schützlinge wie Mumien in Segeltuch ein, der Kälte wegen auch noch in Decken und Polster. Dann werden die Männer sorgsam festgeschnallt, damit ihnen bei einem plötzlichen Absacken des Flugzeugs durch Abwinde nichts passiert. Nach zwei Zwischenlandungen erreicht die Maschine in zehn Stunden Berlin. Die Schwestern nehmen schließlich am Triumphzug der Nationalisten durch Madrid teil und in Berlin an der Parade der Legion vor Hitler. Als einige Legionäre, die in

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