Im Zeichen der Menschlichkeit
durch Drill und straffe Organisation »wehrmachtsgleich« werden sollen, gliedert man die Wohlfahrtsaufgaben aus oder stellt sie ein. So unkriegerische Einrichtungen wie Nähstuben und Kindergärten gehen an die NS -Frauenorganisationen und die Volkswohlfahrt. Eine komplette Übernahme der Schwesternschaften durch die Volkswohlfahrt wird dagegen abgewendet. Dennoch kann von Unabhängigkeit keine Rede sein, wenn, wie aus der Dienstaltersliste für den Personalbestand hervorgeht, zu Beginn des Krieges 50 von 68 Oberinnen Parteigenossinnen sind.
Masse und Macht: Fahnenweihe und Vereidigung von Rotkreuzschwestern in der Berliner Philharmonie, um 1940.
© K. Friedrich / DRK
Das Jugendrotkreuz gerät immer mehr in Bedrängnis. Die NSDAP will alle Nachwuchsarbeit in der Hitlerjugend und im Bund Deutscher Mädel monopolisieren. Da die Idee des Jugendrotkreuzes in den angelsächsischen Ländern entstanden ist, wird es nun als Tarnorganisation amerikanischer Ideologien verunglimpft, auch als Hort jüdischen und freimaurerischen Gedankenguts. Vergeblich bemüht es sich, den »Stil und Geist der neuen Zeit« aufzunehmen, indem es sich etwa verstärkt Themen wie »Erbpflege und Ahnenkette« widmet. Schon 1934 spielt es praktisch keine Rolle mehr und wird schließlich aufgelöst. Auch in der Wohlfahrtsarbeit kommt es zu Konflikten mit den entsprechenden Parteigliederungen. Insbesondere zwischen der NS -Frauenschaft und dem Vaterländischen Frauenverein, der mit über 800000 Mitgliedern zwei Drittel aller Rotkreuzangehörigen stellt, entbrennt ein Machtkampf. Erbittert wird um Zuständigkeiten und Einflussmöglichkeiten gerungen, um staatliche Privilegien und um viel Geld. Doch kaum droht von außen Gefahr, ziehen die neuen braunen Herren und die alten adeligen Eliten an einem Strang. Sie intervenieren beim Innenministerium und bei der Reichskanzlei und erreichen unter Berufung auf die durch die Genfer Konvention gebotene formale Selbstständigkeit der nationalen Rotkreuzgesellschaft ein einigermaßen akzeptables Arrangement. Freilich verschiebt dieses sich allmählich weiter zu Ungunsten des Roten Kreuzes, bis die kriegsvorbereitende Reform des Jahres 1937 schließlich den endgültigen Verlust der Wohlfahrtsarbeit nach sich zieht.
Ein Beispiel für die Konsequenzen dieser Entwicklung bietet das Erbe von Elsa Brändström, die seit 1932 in den Vereinigten Staaten lebt. Während sie sich dort »für die als Opfer Hitlers aus Europa Fliehenden« einsetzt, wird ihr Werk in Deutschland von den Nazis vereinnahmt. Die Volkswohlfahrt führt Schloss Neusorge »in zielbewußter Förderung alles völkisch Wertvollen« fort. Was darunter zu verstehen ist, veranschaulicht die neue Leiterin: »Da ist ein Hamburger, Karl geheißen, blond, blauäugig, mit starkem Selbstbewußtsein.« Sein Vater fiel im Ersten Weltkrieg, daraufhin wurde er dauerhaft in Neusorge aufgenommen. Wo er sich bald »in freundschaftlichen Raufereien eine Führerstellung erkämpft hat. Heute ist er Diplomingenieur und dient als SS -Mann seinem Führer und Volke.«
Endlich wieder eine »große Zeit!«. Die soziale Ausrichtung während der Weimarer Republik wird als »verschwommene Humanitätsduselei« und »weichliche Mildtätigkeit« geschmäht. Höchste Zeit für das Rote Kreuz, wieder die »Grundlage der Kriegsbereitschaft« zu schaffen. Eine neue Metamorphose beginnt.
Zum Beispiel Britz
Die »Sturmabteilung« ist zu dieser Zeit die maßgebende Formation innerhalb der Partei und soll nicht nur das Rote Kreuz durchdringen, sondern beispielsweise auch die Bergwacht übernehmen. Von welchem Schlag die SA-Leute sind, das demonstrieren sie in Berlin-Britz. Nach dem Ersten Weltkrieg hatte die dortige Sanitätskolonne nur mehr ein Schattendasein geführt. Erst als 1927 ein junger Arzt die Spitze übernahm, begann »der großartige Aufstieg der Kolonne«, so eine Lokalzeitung. Dank Arnold Levys pädagogischem Talent wuchs sie auf sechzig Mann und sechzehn Helferinnen an. Seine Lehrkurse waren gut besucht, seine Werbung für den Rotkreuzgedanken zeitigte Erfolge. Ein Krankenrettungsauto konnte angeschafft und eine neue Sanitätswache bezogen werden. »Kolonne Britz, schnell wie der Blitz!«, dieser Spruch machte bald in ganz Berlin die Runde.
Im Juli 1933 erscheint der SA -Mann Alfred Lange gegen Ende der Sprechstunde in Levys Praxis. Er stellt sich als ärztlicher Kollege vor und fordert ihn auf, ihn ins SA -Heim zu begleiten. Dort stoßen ihn mehrere Männer die
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