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Im Zeichen der Roten Sonne

Im Zeichen der Roten Sonne

Titel: Im Zeichen der Roten Sonne
Autoren: Federica de Cesco
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entfernte sie sich. Ihre Schleppe glitt über die Matten wie das Purpurgefieder eines Märchenvogels. Ein seltsames, heiseres Lachen stieg dem , dessen Name verflucht ist, aus der Kehle. Ich sah Schweißtropfen auf seiner Stirn. Mit einer heftigen Bewegung hielt er eine Dienerin an, riss ihr den mit Reiswein gefüllten Krug aus der Hand und leerte ihn in großen Zügen. Heute Abend würde er wieder einmal betrunken sein.
    Die Würdenträger in ihren eleganten Gewändern atmeten erleichtert auf. Sie waren wohlerzogene Männer: Nichts in ihren Gesichtern hatte ihre Spannung verraten; ich sah nur ihre Blicke, und was ich darin zu lesen glaubte, erfreute mich nicht. Doch stand mir heute nicht der Sinn danach, darüber nachzudenken. Ich hatte anderes im Kopf.
    Im allgemeinen Trubel schlich ich mich davon und ging hinunter in den Hof. Die Sonne hatte sich bereits hinter dem Wachtturm versteckt, Schwalben schossen durch die leuchtende blaue Luft. Man hatte das Pferd in den Verschlag gebracht, der sonst den heiligen Hähnen vorbehalten war und den die Gärtner in aller Eile gereinigt hatten. Diener trugen Stroh und Körner herbei. Sie gossen frisches Wasser in große Bambusgefäße. Eine lachende und schwatzende Menge - Höflinge, Gardesoldaten, Dienerinnen mit ihren Kindern - drängte sich neugierig um den Zaun. Das sichtlich erregte Pferd stampfte und schüttelte die Mähne, während der Junge es mit besorgter Miene zu beruhigen versuchte. Als die Leute mich sahen, traten sie beiseite.
    Â»Das Himmlische Pferd«, sagte ich, »ist erschöpft und aufgeregt. Man lasse es in Frieden, damit es sich von der Reise erholt.«
    Aufgrund meines Ranges gehorchte man mir. Die Schaulustigen zerstreuten sich. Der junge Tunguse und ich blieben allein. Eine Weile sagte keiner ein Wort. Der Junge streichelte den Hals des Tieres. Der Wind, der in Böen vom Meer her wehte, zerzauste sein weiches, glattes Haar. Salz und Seewasser hatten seine Lippen aufspringen lassen. Ab und zu traf mich ein Blick seiner leuchtenden Augen, und ich, die sonst vor niemandem - außer der Königin - die Lider senkte, blickte befangen zur Seite.
    Um endlich zu wissen, wie ich mit ihm zu reden hatte, brachte ich gepresst über die Lippen: »Bist du Sklave?«
    Meine eigene Stimme kam mir rau und fremd vor. Er straffte leicht die Schultern und erwiderte leise, aber fest: »Mein Name ist Suki, Sohn von Kato-no-Aname, dem Herrn der königlichen Gestüte. Wir waren niemals Sklaven.«
    Mein Herz klopfte wild. Ich hörte mich hochmütig sagen: »Ich bin die Prinzessin Toyo.«
    Â»Ich weiß«, gab er gelassen zur Antwort. »Ich habe dich neben der Königin gesehen.«
    Ich spürte, wie ich rot wurde. Rasch fragte ich: »Wie … wie stellt man es an, das Ungeheuer zu bändigen?«
    Er lachte und ich sah seine hübschen weißen Zähne. »Es ist kein Ungeheuer, sondern ein kluges und edles Tier, das seinem Herrn treu dient.«
    Â»Ist es schwer, so auf ihm zu reiten, wie du es gemacht hast?«
    Â»Jeder kann das lernen.« Sein Lächeln verschwand. Er legte seinen Arm um den Hals des Pferdes und presste seine Wange gegen das raue Fell.
    Â»Ich war dabei, als Hi-Uma auf die Welt kam. Ich habe ihn als kleines zitterndes Fohlen in meinen Armen getragen. Später war ich immer in der Nähe meines Vaters bei der Fütterung und wenn seine Streu gewechselt wurde, beim Einreiten und der Dressur. Nach ihm war ich der Erste, der Hi-Uma geritten hat. Selbst in der Finsternis kennt er meine Schritte und meinen Atem. Er ist … er ist mein Freund.«
    Er verstummte, wandte den Kopf ab. Seine Züge waren verkrampft und in seinen Augen schimmerten Tränen. Ich starrte ihn an. Zärtlichkeit und Mitleid vermischten sich in mir mit einem anderen, nie gekannten Gefühl, das mich aufwühlte und verwirrte.
    Leise fragte ich: »Fällt es dir schwer, ihn zu verlassen?«
    Â»Ja«, antwortete er schlicht.
    Mein Blick richtete sich auf Hi-Uma. Seine schwarzen, feuchten Augen mit den langen Wimpern erschienen mir mit einem Mal sehr sanft. Ich wollte ihn berühren, doch wagte ich es nicht. Sukis Stimme war nur noch ein Flüstern.
    Â»Als mein Herrscher Hi-Uma als Geschenk für die Königin auswählte, brach mir fast das Herz vor Kummer. Doch ich musste mich fügen. Ich warf mich dem Fürsten zu Füßen und flehte ihn an, Hi-Uma begleiten zu
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