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Im Zeichen der Roten Sonne

Im Zeichen der Roten Sonne

Titel: Im Zeichen der Roten Sonne
Autoren: Federica de Cesco
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begrüßte die Gesandten und lud sie ein, als Gäste in ihrem Palast zu verweilen. Trotz Unterschieden in der Betonung und dem Satzbau ähnelten sich unsere Sprachen, sodass wir einander gut verstehen konnten.
    Als meine Mutter ihre Rede beendet hatte, verneigten sich die Männer und äußerten die üblichen Dankesworte. Dann näherte sich der in Indigoblau gekleidete Mann, der in der Rangordnung der Höchststehende zu sein schien, und sprach:
    Â»Erlauchte Königliche Hoheit, mein Name ist Sakoto. Ich diene meinem fürstlichen Herrn als Botschafter. Gestattet mir, Euch Admiral Chosu vorzustellen (der Mann im moosgrünen Gewand verbeugte sich). Wir haben die traurige Pflicht, Euch mitzuteilen, dass Seine Majestät Irihiko, unser geliebter König, in die Steppen seiner Väter zurückgekehrt ist.«
    Mit dieser Umschreibung bezeichneten die Tungusen das Jenseits, also den Tod. Sakoto machte eine Pause, um meiner Mutter Gelegenheit zu geben, ihr Beileid zu bekunden. Dann fuhr der Gesandte fort: »Nach den vorgeschriebenen neun Tagen der Trauer, den elf Tagen der Klage und den dreiunddreißig Tagen der Traurigkeit wurde Seine Hoheit Prinz Iri, der älteste Sohn unseres verstorbenen Herrschers, als sein Nachfolger gewählt. Der Fürst entsandte dieses Schiff, um der Königin von Yamatai seine Ehrerbietung zu erweisen. Zum Zeichen seiner Hochachtung schickt er ihr einen Zuchthengst aus den königlichen Gestüten. Sein Name ist Hi-Uma, das Himmlische Pferd.«
    Im selben Augenblick, als er diesen Namen aussprach, spitzte das Tier die Ohren. Seine Flanken bebten, und es ließ ein unglaubliches Geräusch vernehmen, das zugleich Schnauben, ohrenbetäubendes Gelächter und der dröhnende Schall eines Muschelhorns war. Ein Aufschrei in der Menge wurde laut und ich wich unwillkürlich zurück. Während meine Mutter und Tsuki-Yomi sich völlig regungslos verhielten, stieß der , dessen Name verflucht ist, ein amüsiertes Glucksen aus. Doch schon streichelte der Junge der seltsamen Kreatur, die man »Pferd« nannte, den Hals. Sofort beruhigte es sich und rieb seinen riesigen Kopf an seiner Schulter. Sakoto hatte sich ein Lächeln erlaubt. Er hob beruhigend die Hände: »Edle Herrschaften, die Furcht ist unbegründet! Wenn auch das Wiehern des Pferdes den Feind in der Schlacht erschreckt - denn seit undenklichen Zeiten benutzen wir solche Reittiere im Kampf -, so zeigt es sich seinem Herrn gegenüber sanft und treu ergeben.«
    Meine Mutter beugte sich anmutig vor und erwiderte: »Geruht uns zu erklären, mein Herr, wie seine Eigenschaften zu nutzen sind.«
    Sakoto verneigte sich. An den Jungen gewandt, gab er einen kurzen Befehl. Ein verblüfftes Murmeln ging durch die Reihen, denn ohne den geringsten Anlauf hatte sich dieser mit einem blitzschnellen, behänden und genau berechneten Sprung auf den Rücken des Pferdes geschwungen. Und alle, die Zeuge dieser Szene waren, hatten das Gefühl, dass sich vor ihren Augen ein Wunder vollzog: Der Junge riss mit einem kurzen, harten Ruck am Zügel und das Pferd richtete sich auf wie ein Mensch! Jetzt waren die Köpfe der beiden auf gleicher Höhe und der Wind fuhr durch Haar und Mähne. Der Schweif peitschte den Sand, die Hufe wirbelten wild durch die Luft, während der Junge sein Reittier mit Schenkeln, Knien und Händen umklammerte. Plötzlich lösten sich seine Beine von Hi-Umas Flanken. Das Pferd fiel auf die Vorderhufe zurück und jagte mit einem einzigen Satz vorwärts. Pfeilschnell raste es auf die Zuschauer zu. Die Männer sprangen in höchster Erregung auf, die Frauen kreischten, bedeckten das Gesicht mit den Händen. Ein dumpfes Sirren: Ich fuhr zusammen. Schwungvoll hatte der , dessen Name verflucht ist, das Schwert gezogen. Eine Handbewegung der Königin hielt ihn zurück.
    Inzwischen schoss das Pferd so nah an den Zuschauern vorbei, dass der Luftzug ihre Gesichter streifte. Im hämmernden Galopp stürmte es der Befestigungsmauer entgegen. Im allerletzten Augenblick - als es bereits jeder im Geist gegen die Steinblöcke prallen sah - legte sich der Junge zur Seite, schmiegte seinen Körper an die Flanke des Pferdes, ließ es wenden und Pferd und Reiter jagten wie ein geflügelter Schatten am Wall entlang.
    Gleich Trommelschlägen dröhnten die Hufe, als der Reiter das Tier erneut an den Reihen der Zuschauer vorbeifliegen ließ. An
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