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Im Zeichen der Roten Sonne

Im Zeichen der Roten Sonne

Titel: Im Zeichen der Roten Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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der gegenüberliegenden Seite des Innenhofes machte er kehrt und ließ das Pferd in Schritt fallen. Mit bebenden Flanken blieb es unterhalb der Terrasse stehen. Keuchender Atem drang aus seinen Nüstern. Sein Fell schien wie mit flüssigem Schleim bedeckt. Aus seinem Maul tropfte Schaum in dicken Flocken. Ich starrte es ehrfurchtsvoll an. Es war ein herrliches Tier, von schrecklicher und erhabener Schönheit!
    Der Junge, der auf diese Weise seine Geschicklichkeit gezeigt hatte, ließ sich zu Boden gleiten und blieb mit niedergeschlagenen Augen vor der Königin stehen. Seine Brust hob und senkte sich. Meine Blicke ließen nicht von ihm ab. Die anderen bewunderten nur sein Können. Sie sahen nicht, was ich sah: seine Heiterkeit, seinen scheuen Stolz. Der Schweiß auf seiner Haut ließ sie blass und matt erscheinen. Ich verspürte das Verlangen, sie zu berühren …
    Einige Atemzüge lang blieb alles still. Dann schallte ein lautes, ungeniertes Gelächter über den Hof und der , dessen Name verflucht ist, rief:
    Â»Du scheinst wohl anzunehmen, Gesandter, dass dieses Tier nur dazu erschaffen wurde, dem Menschen die vier Hufe zu verleihen, mit denen er seinen Feinden schneller zu entkommen hofft?«
    Vereinzelt erhob sich unterdrücktes Gelächter, doch herrschte überwiegend Verlegenheit. Wieder einmal verstieß der Bruder der Königin gegen die Höflichkeit. Nicht nur dass er sich erlaubte, das Wort zu ergreifen, bevor die Herrscherin ihre Eindrücke geäußert hatte, er maß sich überdies an den hohen Gesandten herauszufordern.
    Der Blick des Botschafters glitt nachdenklich über die hochmütige, auf sein Schwert gestützte Gestalt hinweg und blieb auf der unbeweglich dasitzenden Königin haften. An sie richtete er seine Antwort.
    Â»Ihre Majestät möge zur Kenntnis nehmen, dass wir seit jeher diese Reittiere züchteten und ausbildeten. Mit jahrhundertelanger Erfahrung ist es uns gelungen, ihre natürlichen Eigenschaften zu entwickeln und zu veredeln: Unsere Pferde sind schnell wie der Wind, beharrlich wie ein Lasttier, mutig wie ein jagender Tiger, klug und fügsam wie der treueste Hund. Sie trotzen der bittersten Kälte wie auch der glühendsten Hitze. Dank ihrer Tapferkeit und Ausdauer vermochten unsere Vorfahren, ein Königreich zu erobern. Dennoch gehorchen sie einem Kind, wie Ihr es soeben mit eigenen Augen gesehen habt.«
    Die Königin erwiderte verbindlich, dass dieses Pferd wirklich ein edles und einzigartiges Tier sei.
    Â»Als Futter«, fuhr Sakoto fort, »benötigt es nur Hafer, Gerste und Gras. Dazu viel frisches Wasser und eine Stallung, die jeden Morgen mit Stroh und Sand bestreut werden sollte, damit die Hufe weich stehen. Wenn nach einem Ritt der Schaum aus seinen Nüstern dringt, sollte es trocken gerieben werden.«
    Tatsächlich hatte ein Diener eine Decke gebracht, und der Junge war dabei, Hi-Umas Rücken und Flanken abzureiben. Ich hörte das Tier zufrieden schnauben.
    Mit ihrer leisen, klaren Stimme sagte meine Mutter zu dem Abgesandten: »Dem Fürsten von Nimana sei Dank für ein so auserlesenes Geschenk. Dem Himmlischen Pferd wird eine seiner Ab stammung gebührende Behandlung zuteil werden. Ich werde persönlich darüber wachen, dass es gutes Futter und die beste Pflege erhält.«
    Dann lud sie die hohen Gäste ein, sich in die Burg zu begeben, wo Erfrischungen für sie bereitstanden. Sie selbst zog sich zurück; die Königin nahm niemals an einem öffentlichen Mahl teil. Zwei Dienerinnen ordneten die Falten ihres Gewandes, bevor sie langsam durch das Spalier gebeugter Rücken schritt. Nur ein einziger Mann stand aufrecht, wie zuvor in lässiger Haltung an den Pfahl gelehnt. Sein dunkel gewelltes Haar verdeckte zur Hälfte sein Gesicht. Seine Augen schienen geschlossen zu sein. Doch als die Königin an ihm vorbeiging, hob er so berechnend und träge die Lider, dass allein diese Bewegung einer Beleidigung gleichkam. Unter den dichten Brauen leuchteten die Augen wie dunkles Metall. Ein aufreizendes Lächeln umspielte seine Lippen. Man hielt den Atem an. Was würde geschehen? Würde die Herrscherin ihn für sein Benehmen tadeln? Nein … Es geschah nichts. Die Königin schritt an ihm vorbei. Für einen Augenblick hatte ich den Eindruck, dass sich ihre Haltung noch mehr straffte, dass ihr Gesicht unmerklich zitterte. Doch das war alles. Schon

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