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Im Zeichen der Roten Sonne

Im Zeichen der Roten Sonne

Titel: Im Zeichen der Roten Sonne
Autoren: Federica de Cesco
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Schweigend und ohne uns zu berühren, gingen wir nebeneinander her. Mein Mund war trocken, ich spürte die hämmernden Schläge meines Herzens. Vielleicht waren es die Nacht oder die Stille oder meine unerfüllten Träume, plötzlich stieg ein Bild vor mir auf: das Antlitz eines Mannes mit wallendem Haar. Ich sah sein düsteres Lächeln, seine spöttischen, glühenden Augen. Ich verscheuchte das Bild, bevor es von mir Besitz ergriff, doch der feuchte Wind ließ mich frösteln. Ich blieb stehen und sagte:
    Â»Nun zeige mir, wie das Himmlische Pferd zu bezwingen ist.«
    Suki stellte sich neben Hi-Uma und verschränkte die Hände. »Halt dich an der Mähne fest! Setze deinen Fuß in meine Hände und steig auf!«
    Eine plötzliche Angst überfiel mich. Würde das Ungeheuer mich abwerfen, mich zertrampeln, mir den Schädel spalten wie eine reife Frucht? Der Stolz überwand mein Zögern. Ich ergriff mit beiden Händen die borstige Mähne, stützte mich leicht auf Sukis Hände und schwang mich hinauf. Zu meiner Überraschung gelang es mir beim ersten Versuch. Hi-Umas Rücken war breit, federnd und warm. Tiefer, gleichmäßiger Atem hob und senkte seine Flanken.
    Â»Gib leichten Druck mit den Knien«, sagte Suki.
    Mit klopfendem Herzen führte ich aus, was er mir sagte. Das Pferd setzte sich langsam und ruhig in Bewegung. Suki ging voraus und hielt es am Zügel. Bei jedem Schritt fühlte ich das mächtige Spiel seiner Muskeln und wunderte mich über seine Fügsamkeit. Nach und nach gewann ich Vertrauen und mein Körper folgte geschmeidig den Bewegungen des Pferdes. Suki zeigte mir, wie man die Zügel hielt und das Tier mit einem Druck der Fersen, Knie oder Schenkel lenkte. Allmählich gewann ich Vertrauen, straffte die Schultern und rief voller Übermut:
    Â»Schneller!«
    Da hob Suki sein lachendes Gesicht zu mir empor. Seine weißen Zähne glänzten in der Dunkelheit. Er ergriff die Zügel und schlang sie um sein Handgelenk; ein einziger leichtfüßiger Sprung hob ihn hinter mich auf den Pferderücken. Seine Arme umfingen mich, und mein Herz schlug wild, während sein Atem mein Gesicht streifte.
    Â»Hab keine Angst«, sagte er halblaut, »du wirst nicht hinunterfallen.«
    Er lockerte die Zügel, grub beide Knie in die Flanken des Pferdes und stieß einen besonderen Ruf aus, schrill und lang gezogen wie der eines jagenden Wolfes. Ein heiseres Schnauben drang aus Hi-Umas Kehle. Sein Rücken spannte sich. Der Sprung, mit dem er voranpreschte, nahm mir das Gleichgewicht. Ohne Sukis schützende Arme wäre ich in hohem Bogen gefallen. Schon flog der Hengst wie ein Speer durch die Nacht. Seine Nüstern waren gebläht, die Ohren lagen flach am Kopf, die Mähne wehte. Er berührte den Boden nur, um sich mit einem neuen Sprung gleich wieder zu erheben. Seine Muskeln vibrierten, sein warmes Fell dampfte.
    Meine anfängliche Furcht war verflogen. An Sukis Brust gedrückt, spürte ich, wie mein Atem nach und nach ruhiger wurde, wie das Hämmern meines Herzens, das Beben meines Blutes mit den Hufschlägen im Gleichklang tönte. Ich trank in tiefen Zügen die Nachtluft. Ein herber Geruch nach Tang, nach sprießenden Frühlingsgräsern stieg aus dem feuchten Boden. Nie, dachte ich, war dieser Duft so eindringlich. Und die Glückseligkeit, die mich erfüllte, überstieg alles, was ich bis heute erlebt oder erträumt hatte; sie war tiefer als das Meer, höher als die Sterne, stürmischer als der Wind …
    Ich bemerkte kaum, dass Suki die Zügel straffte. Das Pferd schien aus eigenem Antrieb in Trab, dann in Schritt zu fallen. Benommen richtete ich mich auf. Suki presste mich so fest an sich, dass unser Atem sich vermischte, dass das Pochen unserer Herzen nur noch zu einem einzigen heftigen Zittern wurde. Ich wandte den Kopf und unsere Lippen trafen sich. Sein Haar fiel über mein Gesicht. Ich schlang beide Arme um seinen Hals, drückte mein glühendes Gesicht gegen das seine. Wortlos stieg er ab, streckte mir die Arme entgegen.
    Ich glitt von Hi-Umas Rücken und fiel gegen seine Brust. Er umfasste meine Taille, hielt mich und legte mich sanft nieder. Langsam bewegte er die Finger, ließ sie über meine Wangen, über meine Stirn und Augenlider wandern, als ob er jede Linie meines Gesichtes erforschen und sich einprägen wollte. Im Nachtlicht leuchteten
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