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Im Zeichen der Roten Sonne

Im Zeichen der Roten Sonne

Titel: Im Zeichen der Roten Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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seine Augen klar und scharf. Ich erinnere mich, dass der Boden feucht war von Tau oder Nässe. Wir streiften unsere Kleider ab, bewegten uns ganz langsam, pressten unsere Körper aneinander. Wir sprachen nicht, wir sahen uns nur an. Unsere Haare, unsere Körper waren feucht, als kämen wir aus dem Meer, der Sand klebte auf unserer Haut. Die Sterne verblassten bereits. Und während die Stimmen der Vögel immer lauter aus den Zweigen drangen, verbreitete sich am Horizont, undeutlich noch und fahl, der erste Schimmer des Morgens …

    Der folgende Tag nahm und nahm kein Ende. Seit dem frühen Morgen schon drängten sich Neugierige vor dem Verschlag des Himmlischen Pferdes. Hochgestellte Herren und edle Damen, die sich von ihrem Schrecken erholt hatten, stießen bewundernde Ausrufe und Gelächter aus. Ich wagte es nicht, mich Suki zu nähern, aus Angst, dass ein Blick, eine Bewegung uns verraten könnte. Verstohlen beobachtete ich, wie er sich mit ausdruckslosem Gesicht der Pflege des Pferdes widmete, wie er das Fell so lange bürstete, bis es seidengleich schimmerte. Die glatt gekämmte Mähne wurde mit roten Seidenbändern und Amuletten durchflochten; die lackierten Hufe so lange geputzt und poliert, bis sie wie Seemuscheln glänzten.
    Ich flüchtete in mein Zimmer. Die Erinnerung war noch ganz nahe: Ich fand den Geruch wieder auf meiner Haut, auf meinen Lippen. Ich kostete ihn aus, wieder und wieder. So saß ich selbstvergessen und starrte auf die Sonnenstreifen, die durch die Öffnungen in der Schiebetür das Verstreichen des Tages zeigten.
    Am Abend fand ein Festessen statt. Man aß und trank im Übermaß. Mit schicklicher Bescheidenheit ließ ich die mir vorgesetzten Speisen unberührt zurückgehen. Wir mussten eine rein geistige, doch leider unendlich lange Rede meines Onkels Majestät-Wächter-des-Mondes über uns ergehen lassen. Danach verfasste man Gedichte und die Tungusen amüsierten sich mit den Hofdamen.
    Da geschah es, dass der , dessen Name verflucht ist, die Flöte einer der Musikantinnen ergriff. Ich erbebte, denn sein Spiel, so erzählte man sich, habe magische Kräfte. Schon beim ersten Ton, den er dem Instrument entlockte, wurde es still im Saal. Die Noten entstiegen wie ein Windhauch der Abenddämmerung. Der Saal schien sich in Nichts aufzulösen, die Gesichter verschwanden im Nebel. Kraftlos, gebannt starrte ich auf den Mann, dessen Finger und Lippen das Wundergebilde aus Tönen webten. Ich hatte das Gefühl, als sei ich allein mit ihm auf der Welt, als sei ich schon immer allein mit ihm gewesen. Die Töne wurden zu Stein, zu Sand, zu Muscheln, Farn und hohen Gräsern. Sie wurden zu Felsen über dem Meer, zum aufwirbelnden Vogelschwarm; sie wurden Wellen und Gischt, Feuer speiende Berge und aufkeimende Blütenknospen. Und jenseits von Begreifen und Erleben erkannte ich in den verzauberten Klängen das innere Gefüge von Yamatai, sein dreifaches Wesen aus Erde, Meer und Pflanzen.
    Plötzlich trat Stille ein. Der Mann hatte die Flöte von den Lippen genommen und sah mir voll ins Gesicht. Mir war, als hätte er nur für mich gespielt. Ich vermeinte, in seinen Augen einen Schimmer von Spott zu erkennen. War er wirklich betrunken? Es überlief mich kalt, und mein Herz verkrampfte sich vor Entsetzen dem Unbestimmbaren gegenüber, das ich herannahen fühlte.
    Die Nacht brach herein. Man zündete die Fackeln an.

    Das Fest war zu Ende. Ich lag ausgestreckt mit glühenden Wangen, während die Geräusche langsam verklangen und Schweigen sich über die Festung senkte. Bald waren hinter der Schiebewand nur Miwas tiefe, regelmäßige Atemzüge zu hören. Sie bewegte sich kaum, als ich über sie hinwegstieg. Ich lief, als ob ich flüchtete, mein ganzer Körper schien von den Schlägen meines Herzens zu dröhnen. Suki erwartete mich. Die Tücher waren bereits um Hi-Umas Hufe gewickelt. Unter den gleichgültigen Blicken der Wachen verließen wir den Hof. Keiner von uns sprach, unser Atem ging keuchend. Im Schatten der Festungsmauern umfasste Suki meine Taille. Er hob mich mühelos hoch, setzte mich auf Hi-Umas Rücken, schwang sich hinter mich. Er drückte dem Pferd die Fersen in die Flanken, stieß einen kurzen Pfiff zwischen den Zähnen hervor.
    Mit einem wilden, entfesselten Satz stürmte der Hengst voran. Suki jagte ihn zum Fluss hinunter. Hi-Umas Lauf war so

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