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Im Zeichen der Roten Sonne

Im Zeichen der Roten Sonne

Titel: Im Zeichen der Roten Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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die Riten nicht eingehalten. Du hast das Schicksal herausgefordert und das Schicksal hat sich gegen dich gewandt.
    Stöhnend brach ich zusammen, presste mein Gesicht an den durchnässten Boden, krallte meine Nägel in das Moos. Nach und nach gelang es mir, die reißende Flut meiner Gedanken einzudämmen. Die einst im Heiligtum erlernte Disziplin half mir dabei. Erschöpft schlief ich ein.
    Als ich erwachte, hatte der Nebel sich aufgelöst. Bläuliches Mondlicht fiel durch die Zweige. Es war entsetzlich kalt. Mein ganzer Körper war steif. Als ich mich aufrichtete, berührte meine Hand die raue, zerzauste Mähne Hi-Umas. Das Pferd hatte sich in meiner Nähe niedergelegt. Ich kroch zu ihm hin und schmiegte mich an seine warme Flanke, so wie Suki es auch getan hatte, und schlief sofort wieder ein.
    Der Gesang der Vögel weckte mich. Aus Unterholz und Baumkronen klangen Gezwitscher und Trillern. Ich öffnete die Augen und schloss sie geblendet: Auf jedem Grashalm, jedem Blatt glänzte ein Regentropfen, in dem sich die rötlichen Sonnenstrahlen brachen. Taumelnd stand ich auf, machte einige Bewegungen, um meine erstarrten Muskeln zu lockern. Feuchte Erde klebte an meinem Umhang. Zweige knackten: Hi-Uma riss unbeteiligt und sorglos Blätter von den Büschen. Ich stieg zum Bach hinunter, tauchte meine Hand in das strömende Wasser: Es war eiskalt. Fröstelnd zog ich mich aus und wusch mich. Die Kälte schmerzte auf der Haut und drang mir bis ins Mark. Es tat gut. Als der Wind mich getrocknet hatte, fühlte ich keinerlei Müdigkeit mehr. Ich ließ das Pferd trinken. Dann richtete ich die Zügel, trat auf einen Steinvorsprung und stieg auf. In langsamem Trab ritt ich der Festung entgegen. Dumpfer Schmerz lastete auf meiner Seele, doch tief im Innern spürte ich, wie ich mich langsam von den Ereignissen löste. Ich war überzeugt, dass alles einen Sinn hatte, dass Lebende und Tote verbunden waren. Was auch immer geschehen würde, ich wusste, dass Suki und ich nicht getrennt, sondern für ewig vereint waren. So betrachtet war er nicht gestorben, sondern lebte in mir und würde weiterleben, solange noch ein Atemzug aus meinen Lungen drang. Und als Pfand seiner Zärtlichkeit hatte er mir Hi-Uma, das Himmlische Pferd, hinterlassen …

    Doch die schicksalhafte Falle war bereits gestellt, das Verhängnis nicht mehr aufzuhalten. Mein Erscheinen auf dem Rücken des Hengstes rief große Aufregung hervor. Männer und Frauen wichen erschrocken zurück. Die Wachen hoben ihre Schilde, wiegten unschlüssig die Speere in der Hand. Die allgemeine Unruhe erfasste auch das Pferd. Hi-Uma begann zu schnauben, blähte die Nüstern und stampfte. Ich zog die Zügel straff, trieb ihn mit leichtem Schenkeldruck an. Hi-Uma fiel in leichten Galopp. Seine Hufe prasselten auf den Steinen. Vom Schwung getragen, streifte das Pferd einen Wachtposten vor dem Tor, raste durch den Eingangsbogen auf den sonnenflimmernden Hof. Um das Tier zu beruhigen, ließ ich es in kurzen Schritten auf dem Sand kreisen und streichelte sein schweißbedecktes Fell. Doch der ungewohnte Lärm hatte Unruhe verbreitet. Höflinge, Würdenträger, Offiziere, auch die Dienerschaft erschienen an den Türen und drängten sich auf den Treppen. Die Hofdamen verweilten im Schatten, um ihre zarte Haut vor der Sonne zu schützen. Ihre Schleppen glitten über die Stufen, sie tuschelten und kicherten. Die Luft war voller gedämpfter Stimmen, niemand wollte auch nur das Geringste von diesem ungewöhnlichen Anblick verpassen.
    Auf einmal sah ich ihn. Er stand in der Vorhalle, die Hände in die Hüften gestemmt. Sein Schatten fiel zwischen die Pfähle. Er war in jenes dunkle Violett gekleidet, das malvenfarbene Schatten auf die Haut zeichnet; um Knöchel und Handgelenke waren schwere, reich verzierte Lederreife geschlungen. Sein Gesicht, das von innen her durch Goldreflexe erleuchtet schien, mit dem spöttischen Mund, der geraden, harten Nase und den funkelnden Augen, zeigte gleichsam die Schönheit eines Traumes und die Grausamkeit einer Maske.
    Ich jedoch ließ mich nicht einschüchtern. Vom Pferderücken aus erwiderte ich fest, ja nahezu herausfordernd, seinen Blick. Als er die Treppe herunterstieg, teilte sich seine schwarze Haarfülle. Nachlässig warf er sie mit beiden Händen zurück, kam langsam näher. Sein Blick schweifte über die Anwesenden und

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