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Im Zeichen der Roten Sonne

Im Zeichen der Roten Sonne

Titel: Im Zeichen der Roten Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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Augen zwei Söhne und aus seinem Mund eine Tochter geboren. Hocherfreut rief Izanagi: ›Ich habe drei edle Kinder erschaffen! ‹ Seiner Tochter reichte er die heilige Halskette des ›Magatama‹ und sprach zu ihr: ›Du, Hoheit, herrsche über Himmel und Erden!‹ Und er übertrug sie ihr. Dann wandte er sich an seinen ältesten Sohn: ›Du, Hoheit, herrsche über das Reich der Nacht!‹ Und er übertrug es ihm. Zum Schluss sprach er zu seinem jüngsten Sohn ›Du, Hoheit, herrsche über den Ozean.‹ Und er übertrug ihn ihm.« Die Stimme der Hüterin des Feuers brach so unvermittelt ab, dass ich mich atmen hörte. Nach einem Augenblick nickte sie mir lächelnd zu.
    Â»Du hast mich etwas zu fragen?«
    Â»Wer waren Izanami und Izanagi wirklich?«
    Sie blickte mich an, ein heller Funke tanzte in ihren Augen.
    Â»Sie waren Bruder und Schwester und gleichzeitig Mann und Frau, wie es in den Anfängen der Menschheit für Königspaare erforderlich war.
    Ãœberdies war Izanami Hohepriesterin, denn Wissen und Macht waren den Frauen vorbehalten. Als Izanagi verbotswidrig in ihr Sterbezimmer eindrang, erlangte er Erkenntnisse, deren Auswirkungen er nicht Herr zu werden vermochte. Die ›Donnergottheiten‹ stellen die kosmischen Kräfte dar, derer der Mensch sich nur bedienen kann, wenn er die Gesetze der Weltordnung beachtet. Izanagi ist das Sinnbild der Menschheit, die an dem Versuch, die Naturkräfte gewaltsam für sich zu nutzen, scheiterte. Indem er die Macht seiner Frau an sich riss und die ›Donnergottheiten‹ befreite, löste Izanagi eine furchtbare Katastrophe aus, die zum Versinken des Urkontinents führte. Als die Schrecken des Himmels und der Erde nachließen, machten sich die Überlebenden auf die Suche nach ruhigen Orten. Izanagis Flucht versinnbildlicht die verschiedenen Etappen ihrer Wanderung. Gewiss, ein Großteil ihrer Kenntnisse war ausgelöscht. Doch sie erinnerten sich an vieles. Sie gründeten Königreiche und erbauten Städte. Und an geeigneten Orten errichteten sie Heiligtümer, um dort für spätere Generationen das Wissen zu bewahren, das sie besaßen.«
    Ich hob lebhaft den Kopf. »Dieses Bauwerk also …«
    Die alte Frau nickte.
    Â»Ja. Es stammt aus dieser Zeit und wurde nach dem Maßstab der Götter gebaut.«
    Aufgeregt beugte ich mich über meine gekreuzten Beine, während die Priesterin weitersprach:
    Â»Später teilten sich Izanagis Nachkommen in zwei Völkergruppen. Die eine zog in den Westen und drang in die Steppen vor. Die andere - die sich nunmehr Volk der Ama nannte - stieg durch Dschungel und Sumpf hinab zur Küste des Ozeans. Dort bauten sie eine Flotte und stachen in See. Die Meereströmungen brachten sie nach Osten. Nach zehntägiger Reise erreichten sie ein Land, das sie Yamatai nannten, ›Land-inmitten-der-Schilfsrohrfelder‹. Sie siedelten sich dort an und gaben ihre Kultur an die Eingeborenen weiter.«
    Mein Herz klopfte stürmisch.
    Â»Dann sind also meine Ahnen …«
    Die Hüterin des Feuers lächelte nachsichtig.
    Â»Geduld, meine Tochter. Wisse, dass zwischen dem Herabsteigen aus dem Himmel von Izanami und Izanagi und der großen Sintflut eine Zeitspanne liegt, während der die drei Sterne des Orion nacheinander die Achse bildeten, um die sich der Himmel zu drehen schien. Bevor der Polarstern zum Mittelpunkt des Himmels wurde, gab es sechsunddreißig Dynastien.«
    Ich erinnerte mich des Sternbildes, das ich vor dem Einschlafen betrachtet hatte, doch in diesem Augenblick überlief mich ein Schauder. In der Tiefe des Bodens vernahm ich ein dumpfes Geräusch. Es war, als erschütterten die Schläge auf einen weit entfernten riesigen Amboss die Grundfesten der Mauern. Die Priesterin hatte ihre Webarbeit unterbrochen. Ihre Hände lagen ruhig auf den Knien. Mit versteinertem Antlitz betrachtete sie die Seeschwalben, die in aufgeregten Schwärmen über dem Hof kreisten. Als nach einer Weile Ruhe einkehrte, sagte ich beklommen:
    Â»Die Erde bebt. Auch heute Morgen schon …«
    Die alte Priesterin seufzte.
    Â»Ja. Die Zeichen mehren sich …«
    Â»Welche Zeichen?«, stammelte ich verstört.
    Â»Du wirst es bald wissen.«
    Sie nahm ihre Arbeit wieder auf. Ihre Stimme klang gleichmäßig.
    Â»Zu gleicher Zeit, als Izanagis Nachkommen das Land Yamatai besiedelten,

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