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Im Zeichen der Roten Sonne

Im Zeichen der Roten Sonne

Titel: Im Zeichen der Roten Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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Bogen. Der Pfeil schnellte los; schon legte Iri den zweiten an, noch bevor der erste die Scheibe erreicht hatte. In einem einzigen Bewegungsfluss gelang es ihm, nacheinander fünf Pfeile abzuschießen, die alle die Öffnung der Bronzescheibe durchflogen. Während ein Beifallssturm seiner Geschicklichkeit huldigte und die Diener sich beeilten, die Pfeile wieder einzusammeln, trat Iri auf mich zu. Ein höhnisches Lächeln zog seine Mundwinkel hoch. Er sagte so laut, dass alle es hören konnten:
    Â»Es heißt, Yamatai sei das Land der unvergleichlichen Bogenschützen. Ferner heißt es, dass auch die Frauen in diesem Können unterrichtet werden. Ihr führt Eure Waffe mit Euch. Würdet Ihr geruhen, an unserem Wettkampf teilzunehmen?«
    Seine funkelnden Augen forderten mich heraus. Wieder fühlte ich Zorn in mir aufsteigen; wieder beherrschte ich mich und entgegnete kühl:
    Â»Ich danke Euch, Hoheit. Es ist mir eine Ehre.«
    Erneut trat Stille ein, als ich mich im vorgeschriebenen Abstand vor der Zielscheibe aufstellte. Ich ließ den Bogen von meiner Schulter gleiten. Er war größer und schwerer als mein eigener. In dem Köcher befanden sich sieben Pfeile. Ich war müde und aufgeregt und hatte großen Durst, und ich wusste, dass ich zum Ziehen der Bogensehne meine ganze Körperkraft aufbieten musste. Vor mir begann die Scheibe zu schaukeln, erst sanft, dann schneller. Zuerst atmete ich langsam und gleichmäßig ein und aus, bevor ich mit einem tiefen Zug meine Lungen mit Luft füllte. Um mich herum schien die Welt zu versinken. Es gab nur noch die schwingende Zielscheibe, deren Schatten im Fackelschein am Boden hin und her glitt. Ich legte den ersten Pfeil an, spannte die Sehne. Eine leichte Erschütterung, ein Schwirren … Jetzt einen zweiten Pfeil, dann einen dritten. Die Bogenmeister sagen: Mit dem Pfeil durchstößt der Schütze den Himmel; am unteren Ende hängt, mit einem Seidenfaden befestigt, die Erde.
    Fünf … sechs Pfeile. Der Letzte nun! Er flog durch die Scheibe, noch bevor der erste Pfeil summend wie eine Biene auf der anderen Seite den Sand traf.
    Meine Arme sanken herab. Schweiß brach mir aus allen Poren. Die Zuschauer jubelten, winkten mit Schärpen, warfen mir Blumen zu. Ich merkte es kaum. Wie von weit her drang Iris Stimme an mein Bewusstsein:
    Â»Gestattet, Toyo-Hirume-no-Miko, dass ich Eure Geschicklichkeit preise. Wer die große Lehre des Bogenschießens beherrscht, vermag auch, mit verbundenen Augen zu treffen.«
    Ich verneigte mich mit ungerührter Miene. Ich merkte ihm Bewunderung an, ganz leicht nur, aber echt. Er hatte mich herausgefordert und ich hatte mir Genugtuung verschafft. Und obwohl seine Eigenliebe getroffen war, zwang ihn die Königsehre, meinen Sieg anzuerkennen.
    Â»Ich bitte Euch«, fuhr er fort, »heute Abend als hochgeschätzter Gast an meiner Tafel zu speisen.«
    Ein Diener eilte herbei, nahm meine Befehle entgegen. Ich wünschte ein Bad und saubere Kleidung. Man führte mich in ein prachtvolles Gemach, dessen Decke aus Ebenholz auf korallenroten Säulen ruhte. Die Wände waren mit seidenen Rollbildern geschmückt, auf die mit schwarzer Tusche Landschaften und Tiere gemalt waren.
    Neben dem Raum befand sich eine Badestube. Mit gusseisernen Kesseln schütteten Dienerinnen abwechselnd heißes und kaltes Wasser in einen großen Holzzuber. Verwundert stellte ich fest, dass der Boden unter meinen Füßen geheizt war. Wie ich später erfahren sollte, waren es Rohre aus Ton, die das warme Wasser unter die Bodenfläche lenkten. Vieles hierzulande setzte mich in Erstaunen, doch war ich nie von dem Grundsatz abgewichen, auch nur das Geringste von meinem Stolz einzubüßen. Folglich entledigte ich mich gleichmütig meiner verschwitzten Kleider, ließ mich von den Frauen einseifen, waschen und abspülen. Sie wickelten mich in ein weiches Badetuch, rieben meinen Körper mit duftendem Öl ein. Mein Haar wurde so lange gebürstet und gekämmt, bis es wie Lack glänzte.
    Ich lehnte es ab, mir einen Kranz flechten zu lassen, wie ihn die einheimischen Damen trugen, und ließ mein Haar in blauschwarzer Fülle bis zu den Hüften hinabhängen. Auch die kostbaren Kleider, die man mir zeigte, prüfte ich ohne Bewunderung oder Staunen. Ich wählte ein schlichtes Gewand, indigofarben, das über einem rubinroten Unterkleid getragen wurde. Für

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