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Im Zeichen der Roten Sonne

Im Zeichen der Roten Sonne

Titel: Im Zeichen der Roten Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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Hauptstadt in Sicht kam. Umgeben von einer gewaltigen zinnengekrönten Befestigungsmauer, glitzerten die geschwungenen Ziegeldächer wie türkisblaue Wellenkämme.
    Die Reiter stießen die schrillen Pfiffe aus, mit denen sie ihre Tiere anzuspornen pflegten. Die Pferde schienen keine Müdigkeit mehr zu spüren, jagten mit halsbrecherischer Geschwindigkeit den Toren entgegen. Schiffe jeglicher Größe, mit farbigen Segeln, lagen in der Bucht. Im Hafen wimmelte es von Seeleuten, Fischern und Händlern. Immer näher kamen die eindrucksvollen Stadtmauern. Selbst die mehrstöckigen Wachttürme waren mit schillernden Ziegeln bedeckt.
    Â»Platz!«, schrien die Herolde. »Platz für den Edlen Herrn Cho-She und sein Gefolge!«
    Â»Die Ringmauer ist viele Hundert Jahre alt«, rief mir Cho-She zu. »Nie haben Angreifer vermocht, sie zu erstürmen!«
    Wir ritten auf einen mächtigen Torbogen zu. Begleitet vom Klirren der Rüstungen, dem Schlagen der Hufe, stieß der Zug in die dunkle Öffnung vor. Kaum war der vom Gewölbe vielfach zurückgeworfene Lärm verhallt, als das rot glühende Sonnenlicht uns bereits wieder umfing. Eine Holzbrücke führte über einen Wassergraben. Dann eine weitere Mauer, ein neues Tor. Schließlich drangen wir in ein unüberschaubares Gassengewirr vor. Karren mit hohen Rädern, schwankende Sänften, Ochsengespanne versperrten den Weg. In der feuchtheißen Dämmerung wimmelte es von Menschen. Straßenhändler boten mit gellenden Stimmen ihre Ware feil. Essenverkäufer rührten in Kesseln. Andere Männer trugen Bambusstangen auf den Schultern, an denen schwere Körbe hingen. Ein Mann schleppte Salz, ein anderer Gemüse, ein dritter überschwappende Wasserbehälter. Leuchtende Fahnen blähten sich im Wind. Gongschläge dröhnten. Tausend Glocken klingelten gleichzeitig. »Platz, Platz!«, schrien die Herolde, und vor uns wich alles zurück. Wir überquerten einen Flussarm auf einer merkwürdig geschwungenen Brücke. Dann führte eine breite, gepflasterte Straße zu einer weiß getünchten Einfriedungsmauer. Die geschwungenen Dächer der Wachttürme, Drachenflügeln gleich, warfen düstere Schatten. In regelmäßigen Abständen stützten sich die Wächter unbeweglich auf ihre glänzenden, mit Wimpeln geschmückten Lanzen.
    Â»Die Königsstadt«, sagte Cho-She. »Ihr seid am Ziel.«
    Zwei Riesenschildkröten aus Stein erhoben sich beiderseits des Eingangstors. Cho-She lächelte, als ich sie verwundert betrachtete.
    Â»Für uns sind Schildkröten heilige Tiere. Sie sind Geister der Gewässer und Sinnbild langen Lebens. Gibt es nicht Schildkröten, die tausend Jahre alt sind?«
    Verwirrt, betäubt vernahm ich kaum seine Worte. Schon schwangen die mächtigen Torflügel auf. Stallknechte eilten herbei, um die Pferde zu halten. Erschöpft glitt ich aus dem Sattel. Ich konnte mich kaum noch auf den Beinen halten. Doch ich versuchte, mir nichts anmerken zu lassen, stieg festen Schrittes neben Cho-She die Palaststufen hinauf. Ich trug meinen Bogen über der Schulter. Der mit Pfeilen gefüllte Köcher schlug gegen meine Hüfte.
    Vor den bronzenen Flügeln der Eingangstür erwarteten uns Männer in grauen, mit goldenen Insignien bestickten Gewändern. Unter Verbeugungen führten sie uns in einen Saal, der von scharlachroten Säulen getragen wurde. Alle Flächen zwischen den Deckenbalken waren bemalt. Die Motive, in üppiger Farbenpracht glänzend, stellten Tiger, Drachen und andere Fabelwesen dar.
    Wir ließen uns auf Brokatkissen nieder, und man reichte uns wohlschmeckenden Tee in Schalen, so fein und zerbrechlich, dass das Licht hindurchschimmerte. Dann glitt eine vergoldete Schiebewand mit leisem Geräusch zur Seite. Wir verneigten uns vor dem soeben eingetretenen Edelmann. Dieser erwiderte kühl unseren Gruß. Sein bronzefarbenes Gesicht mit den scharfen Augen und den hohen Wangenknochen stand im seltsamen Gegensatz zu seinem weitärmeligen jadegrünen Seidengewand, das nach Tungusenart mit einer Schleife auf der Brust geschlossen wurde. Seine Finger, mit schweren Goldringen geschmückt, hielten nachlässig einen Fächer. Während Cho-She an meiner statt meine Bitte vortrug, beobachtete mich der Mann mit herablassender Höflichkeit. Schließlich kamen gelangweilt einige Worte über seine

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