Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Zeichen der Roten Sonne

Im Zeichen der Roten Sonne

Titel: Im Zeichen der Roten Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
Vom Netzwerk:
leuchteten.
    Â»Wessen Stimme?«, fragte er mit leichtem Spott. »Die Eure?«
    Etwas in mir wurde angerührt. Noch einmal wandte ich den Blick von diesem Gesicht, diesen Augen ab. Ich lächelte ebenfalls, wenn auch nur schwach, und entgegnete sanft:
    Â»Die Stimme Eures Schicksals, Hoheit.«

20
    I ch stand am Bug des Schiffes, in die warmen Falten meines Umhangs gehüllt, der mit einer Jadespange auf der Schulter befestigt war. Starker Wind blähte die Segel, die Taue knarrten. Das Schiff schien über die Wellen zu fliegen.
    Bei den Tungusen war es Brauch, für die Schiffe Rudersklaven - vorwiegend Kriegsgefangene - einzusetzen, eine Sitte, die wir in Yamatai nie befolgt hatten. Auf dem Hauptdeck saßen je zwei Männer an einem Ruder. Der Aufseher ließ seine Peitsche knallen, während der Taktmeister mit einem Hammer den Rhythmus bestimmte und sich die schweißglänzenden Arme der Sklaven hoben und senkten.
    Die Offiziere hielten sich unter einem Baldachin auf, der sie vor Wind und Sonne schützte. Es waren schweigsame Männer, deren bronzebraune, grobflächige Gesichter Wagemut und Kälte ausstrahlten. Auf ihren Wappenschilden prangten in grellen Farben die Wahrzeichen der Nomadensippen, deren Vorfahren durch die mongolische Steppe nach Osten vorgedrungen waren. Iris Stoßtrupp bestand aus ausgesuchten Reitern. Die eingeschifften Pferde wurden von Stallburschen betreut. Iris eigenes Reittier war ein prachtvoller Schimmel mit so mächtiger Brust, so schlanken und zugleich kräftigen Beinen, dass er an Schönheit und Stärke alle anderen Pferde übertraf. Seine blauschwarzen Augen glänzten unter der wehenden Mähne, die mit Silberamuletten durchflochten war. Im Gedenken an Hi-Uma hatte ich für mich selbst ein kleines schwarz-weißes Tier ausgewählt. Es war geschmeidig, fügsam und klug. Ich hatte ihm den Namen Wa-Uma, »Pferd des Westens«, gegeben. Ich streichelte es oft und sprach zu ihm, damit es sich an den Klang meiner Stimme gewöhnte. Die Pferde fürchteten sich vor dem Ozean. Bei hohem Wellengang wurden sie unruhig. Auf ihr Fell trat Schweiß und sie verdrehten die Augen. Ihre rot und schwarz lackierten Hufe stampften auf den Schiffsplanken. Die Stallburschen hatten alle Mühe, sie zu halten.
    Das Kielwasser rauschte kräftig, Salzregen sprühte mir ins Gesicht. Ich zog den Umhang enger um meine Schultern, während mein Blick über die vierundzwanzig Begleitschiffe schweifte. Jedes hatte zehn Krieger und zehn Pferde an Bord, dazu kamen die Schiffsbesatzung und Ruderer. Wir waren seit drei Tagen unterwegs, bei beständigem Westwind, und die Küste von Yamatai kam als ferner blauer Streifen in Sicht. Bei günstigem Wind und gleichmäßiger Strömung würden wir noch heute Abend in die Bucht einfahren. Meine Kehle schnürte sich schmerzvoll zusammen. Was war in der Zwischenzeit in Amôda geschehen? War meine Mutter überhaupt noch am Leben?
    Unter meiner Korallenkette trug ich eine seidene Schnur mit drei kleinen Leinensäckchen um den Hals. Sie waren verschiedenfarbig bestickt. Der Hofarzt, ein sanfter alter Mann mit silbrig glänzendem Haar und tief liegenden, ruhigen Augen, hatte mir genaue Anweisungen gegeben.
    Â»Ã–ffnet zuerst das rote Säckchen und löst die Körner in abgekochtem Wasser auf. Dann fügt die Körner aus dem gelben hinzu. Sobald das Wasser schäumt, schüttet das Pulver aus dem grünen Säckchen hinein. Gebt diesen Aufguss der Königin zu trinken.«
    Ich hatte dem Arzt gedankt und nur eine einzige Frage an ihn gerichtet: »Wird dieses Mittel meiner Mutter Genesung bringen?«
    Der weise Arzt hatte eine Verbeugung angedeutet.
    Â»Edle Prinzessin, Euch Hoffnung zu geben, steht nicht in meiner Macht. Doch möget Ihr wissen, dass diese Arznei sowohl das Leben retten als auch einen friedlichen Tod bescheren kann.«
    Seine sanften Worte klangen mir noch im Ohr, als Iris Stimme mich aus meinen Gedanken riss:
    Â»Die Götter sind uns wohlgesinnt. Und - was vielleicht ebenso wichtig ist - der Kapitän ist zuversichtlich. Unser Geschwader wird bei Sonnenuntergang vor Amôda anlegen.«
    Ich wandte mich ihm zu, strich mir das Haar aus den Augen. Er war zu mir getreten, ohne dass ich ihn gehört hatte. Ein purpurner Umhang wallte um seine breiten Schultern. Seine Bronzerüstung schmiegte sich so eng an seine Brust, als sei sie mit ihr verwachsen.

Weitere Kostenlose Bücher