Im Zeichen der Roten Sonne
hochmütigen Lippen. Cho-She richtete die Augen auf mich.
»Fern von seinen Staatsgeschäften pflegt sich der Hohe Fürst Iri zu dieser Stunde mit seinem Gefolge in den Gärten zu zerstreuen. Sire Yi-Am ist sein Vetter. Er wird die Güte haben, sich für Euch zu verwenden.«
Ich verbeugte mich dankend. Yi-Am bewegte den Fächer und entfernte sich. Sein Gewand rauschte über die Fliesen.
»Fassen wir uns in Geduld«, sagte Cho-She gleichmütig.
Mein Herz pochte stark. Ich bemühte mich, meine Erregung zu verbergen.
»Glaubt Ihr, dass der Fürst mich empfangen wird?«
Die Augen des Bevollmächtigten funkelten belustigt.
»Das hängt von seiner Neugierde ab.«
Nach einer Zeit, die mir endlos vorkam, trat ein Diener vor uns und verneigte sich bis zum Boden.
»Der Hohe Fürst erwartet Euch. Geruht, mir zu folgen.« Ich warf einen raschen Blick auf Cho-She, der mir kaum merklich zulächelte. Wir gingen durch teppichbelegte Gänge und Hallen, die von Säulen aus Zedernholz getragen wurden. Wundervolle Malereien, die Blumen, Schmetterlinge und Vögel darstellten, schmückten die Wände. Die Möbel waren mit Einlegearbeiten aus Emaille und Perlmutter verziert. Das Gold der Standbilder, das edle Weià der GefäÃe leuchteten im flackernden Kerzenlicht. Der Prunk überraschte mich, doch konnte er mich nicht beeindrucken. Die Mauern erdrückten mich; die Dämmerung lastete auf mir. Sehnsuchtsvoll dachte ich an die vornehme Schlichtheit unserer Keramiken, unserer Matten, unserer durchscheinenden Wände.
Ein Säulengang führte in einen prachtvollen Garten. Wir kamen an uralten Bäumen, kunstvoll beschnittenen Lauben und Hecken vorbei. Eine zierliche Steinbrücke schwebte über einem mit Lotosblüten bedeckten Teich, in dem purpurrote, zitronengelbe und perlrosa Fische schwammen. Die Luft duftete würzig und erregend süÃ. Der Wind trug uns das Klingeln von Bronzeglöckchen entgegen. Der Schall von fröhlichen Stimmen und heiterem Gelächter erfüllte die Dämmerung. Halb verborgen zwischen Jasminund Azaleenbüschen wurde ein aus erlesenem Holz geschnitzter goldverzierter Pavillon sichtbar. Rings um eine viereckige Fläche, mit weiÃem Sand bestreut, waren Teppiche ausgebreitet. Auf weichen Kissenbergen hatten sich edle Damen und hohe Herren niedergelassen. Graziös fächelten sie sich Luft zu, lachten und plauderten, während Diener Tee, Früchte und SüÃigkeiten reichten. Ihre Kleider aus kostbaren Seidenstoffen wetteiferten um den höchsten Prunk. Dolche und Schwerter glänzten, Edelsteine funkelten. Die Augen der Frauen waren schwarz ummalt, ihre Lippen karminrot gefärbt und sie trugen ihre schweren Zöpfe zu kunstvollen Kränzen gewunden.
Eine Anzahl junger Leute hielt sich inmitten des Vierecks auf. Sie hatten Pluderhosen in leuchtenden Farben an, Reitstiefel aus weichem Leder und leichte Rüstungen aus Bambus und glitzernden Silberplättchen. Goldspangen und bunte Federbüschel steckten in ihren hochgebundenen Haaren. Jeder führte einen Bogen und einen mit Pfeilen gefüllten Köcher mit sich. Ich erkannte, dass sie an einem WettschieÃen teilnahmen. Das Ziel, eine durchlöcherte Bronzescheibe, hing an einer roten Seidenschnur und wurde von einem Diener zum Schaukeln gebracht.
Ich richtete meinen fragenden Blick auf Cho-She. Mit leichter Kopfbewegung bedeutete er mir vorzutreten. Ich ging einige Schritte auf die Sandfläche zu. Da verstummten Gelächter und Gespräche. Aller Augen richteten sich auf mich. Mit unbeweglicher Miene forschte ich in den Gesichtern. Wer unter den Anwesenden mochte der Herrscher sein? Während ich noch zögerte, unterbrach ein Kläffen die Stille. Ein langhaariger kleiner Hund mit faltiger Schnauze versperrte mir bellend den Weg. Ruhig blieb ich stehen; der aufgeregte Hund kläffte wütend vor meinen FüÃen. Mein Blick schweifte umher, begegnete den schmalen, amüsierten Augen Yi-Ams. Er gab lässig ein Zeichen. Ein Diener eilte herbei und nahm den Hund auf den Arm. Während er das sich sträubende Tier forttrug, löste sich ein junger Mann aus der Gruppe der Bogenschützen. Unter seinem Harnisch trug er Kleider aus goldgelber Seide. Er lächelte mir zu, ungezwungen den Bogen in seiner Hand haltend. Yi-Am trat vor und bewegte seinen Fächer. Ein belustigter Funke tanzte in seinen
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