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Im Zeichen der Sechs

Im Zeichen der Sechs

Titel: Im Zeichen der Sechs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Frost
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schallend und schlug sich auf die Schenkel. »Egal, wie oft ich diese Reaktion auch miterlebe, ich muß doch immer wieder darüber schmunzeln.«
    Wieder wechselte das Bild, und man sah ein intimes Boudoir, drapiert mit troddelgeschmückten Schleiern und Seidenstoffen. Üppige Kissen türmten sich auf einem Leopardenfellteppich. Ein wohlgeformter Arm, mit silbernen Reifen behängt, glitt hinter den Vorhängen hervor, gefolgt von einem barfüßigen Bein, und dann offenbarte sich die Eigentümerin selbst, ein geschmeidiges, dunkelhaariges Tanzmädchen mit durchscheinender Haremshose und hauchdünnem Oberteil. Blumen schmückten ihr Haar, Perlenketten zierten den Hals, und ein schwerer, tautropfenförmiger Edelstein prangte in ihrem Nabel. Sie flirtete von der Leinwand herunter mit ihnen, ließ die kajalgeschminkten Augen blitzen und fing an, sich auf eine Weise zu wiegen und zu biegen, die man nur als außergewöhnlich professionell bezeichnen konnte.
    »Na, gute Nacht!« sagte Innes. »Wer ist denn das?«
    »Ihr Name ist ›Little Egypt‹«, sagte Edison. »In Wirklichkeit heißt sie Mildred Hockingheimer und kommt aus der Bronx. Die führende Bauchtanzexpertin der Nation. Und sie wird sehr, sehr berühmt werden.«
    Sie schauten ihr eine Weile zu und fanden keinen Grund für einen Widerspruch.
    »Sehr talentiertes Mädchen«, sagte Stern.
    »Aus der Bronx?« fragte Presto. »Das ist kaum zu glauben.«
    »Zu dieser Nummer ließ sie sich durch eine Syrerin inspirieren – nicht eben zufällig ebenfalls ›Little Egypt‹ genannt –, die auf der Weltausstellung im letzten Jahr einen Skandal heraufbeschwor. Zur Zeit gibt es fünfundzwanzig Little Egypts, die überall im Lande ihrem Gewerbe nachgehen. Wir sind ihnen aber voraus: Unsere Little Egypt ist schon jetzt die größte Attraktion in jedem Kinetoskop-Saal, in dem wir sie auftreten lassen; wir könnten die Männer für einen Vierteldollar durch ein Guckloch schauen lassen, und sie würden immer noch Schlange stehen.«
    »Und es wäre jeden Penny wert«, sagte Innes. »Und alles nur ein Trick – das Gefühl, daß sie sich bewegt, meine ich. Trägheit des Auges – ein Streich, den uns unser Sehvermögen spielt. Einzelne Fotografien, die so schnell hintereinander gezeigt werden, daß unsere Sinne es als kontinuierliche Bewegung empfinden.«
    »Die Möglichkeiten«, sagte Doyle, der weit über das Spektrum der hier erlebten Darbietung hinaus dachte, »sind grenzenlos.«
    »Meinen Sie? Ich fürchte, daß die Anwendungsmöglichkeiten nicht weit über den Bereich des Wollüstigen oder der reinen Sensationsgier hinausgehen. Natürlich zieht es die Blicke auf sich, aber letzten Endes hat es doch etwas Schandbares an sich, nicht wahr?«
    »Zweihundert Jahre lang waren die beliebtesten Attraktionen in England die öffentlichen Hinrichtungen, dicht gefolgt von Bärenhatzen und Hahnenkämpfen«, sagte Presto. »Wenn Ihre wunderbare Erfindung dem Voyeurismus der Massen Rechnung tragen würde, bräuchten sie keine großen Entfernungen mehr zurückzulegen.«
    »Hoffentlich haben Sie recht. Die Leute sind normalerweise mißtrauisch gegen neue Erfindungen«, sagte Edison. »Man hat sehr lange befürchtet, daß das Telefon Krankheiten übertragen könnte. Aber bei beweglichen Bildern ist das nicht der Fall. Ich habe so etwas noch nie erlebt; die Leute stürzen sich darauf wie Kamele auf eine Wasserstelle.«
    »Wie haben Sie sie bloß gefunden?« fragte Innes, dem Edisons Sorgen keinerlei Kopfzerbrechen bereiteten; seine Gedanken wirbelten radschlagend um irgendeinen Anlaß -einen Kongreß oder eine Art Klassentreffen –, zu dem sich alle fünfundzwanzig Little Egypts würden zusammenbringen lassen.
    »Sie hat auf Coney Island getanzt; dieser Auftritt wurde allerdings hier in unserem schwarzen Kasten gefilmt. Ein tolles Mädchen, diese Mildred; sie erzählt gern, daß ihr Tanz den Geheimzeremonien der altägyptischen Tempel nachempfunden ist. Wie sie mitten in Fiatbush davon hat Kenntnis bekommen können, ist freilich ein Geheimnis, das sie mit ins Grab nehmen wird.«
    Little Egypt verschwand, ohne eines der Geheimnisse zu enthüllen, auf deren Offenbarung sie scheinbar hinausgewollt hatte; an ihrer Stelle erschien ein atemberaubendes Panorama von griechisch und italienisch anmutenden klassizistischen Pavillons auf der Leinwand, riesige Menschenmengen wimmelten dort umher wie Insekten.
    »Das ist jetzt die Weltausstellung«, sagte Edison. »Lief letztes Jahr sechs Monate – hat

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