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Im Zeichen der Sechs

Im Zeichen der Sechs

Titel: Im Zeichen der Sechs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Frost
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»Kann man das Bild anhalten?«
    »Leider nicht«, sagte Edison.
    Die Kamera schwenkte weiter über die Versammlung hin nach rechts. Lionel beobachtete aufgeregt, wie Jacobs körniges Bild zum Rand der Leinwand wanderte und dann verschwand. Jetzt erschienen die zahlreichen Rassen und Religionen des Orients und beäugten die Kamera mit wachsender Vielfalt des Ausdrucks – von stiller Heiterkeit bis zu unverhohlenem Mißtrauen –, und alle trugen ihre unverwechselbare Nationaltracht: Gruppen von faltenreich gewandeten, turbantragenden Moslems und Hindus, Buddhisten in ihrer Tracht von dunklem Safrangelb, asketische Konfuzianer, koptische Christen, Tibetaner, elegante Shin-to-Priester, abweisend blickende russisch-orthodoxe Patriarchen.
    Als die Kamera den äußersten Rand der Gruppe erreicht hatte, hielt sie an, und das Bild blieb stehen. Eine einzelne Gestalt in der hinteren Reihe lenkte die Blicke auf sich.
    Ein hochgewachsener, faszinierender Mann, dürr wie eine Vogelscheuche mit einem hohen Zylinderhut und einem strengen schwarzen Gehrock, geschnitten wie der eines Bestattungsunternehmers. Langes, strähniges Haar reichte bis auf die Schultern; links aus seinem Rücken wuchs ein spitz deformierter Buckel. Die Gesichtszüge blieben verschwommen; als einziger in der ganzen Gruppe bewegte der Mann den Kopf hin und her …
    Jack stand kerzengerade da; er war von seinem Stuhl hochgefahren. Jetzt lief er zur Leinwand und studierte die unscharfe Szene; wenige Augenblicke später war der Film zu Ende, und das Bild verging in einem Gewirr von Linien, Zacken und Staubflöckchen. Edison schaltete den Projektor ab, und es wurde still im Raum. Jack drehte sich zu Doyle um, und seine Augen waren vor Schreck geweitet, als ihn für einen Moment das grelle weiße Licht erfaßte, das die Leinwand bestrahlte.
    »Ich muß das noch einmal sehen«, sagte er. »Ich muß den Film erst zurückspulen«, sagte Edison. »Nein, lassen Sie mich den Film so sehen, in der Hand, Bild für Bild.« »Oh, natürlich.«
    »Was ist denn, Jack?« fragte Doyle und musterte ihn aufmerksam.
    Jack gab keine Antwort.
    Ein paar Minuten später standen sie in Edisons Labor und hatten den Film über eine von unten beleuchtete Glasplatte gelegt. Jack brütete mit einem Vergrößerungsglas über den einzelnen Bildern, und die anderen standen stumm daneben.
    In einem der Ausschnitte fand Jack ein Bild des buckligen Predigers, das genau zwischen dessen ständigen Kopfbewegungen entstanden war und seine Gesichtszüge ziemlich klar erfaßte.
    Jack erbleichte, und Doyle sah, daß seine Hände zitterten.
    »Wir kennen diesen Mann, Arthur«, sagte Jack ernst.
    »Ach, ja?«
    Er reichte Doyle die Lupe. »Wir kennen ihn nur allzu gut.«

BUCH DREI
 
Chicago

9
     
    Eileen versuchte einen Blick auf den Skizzenblock in Jacobs Hand zu erhaschen, aber er verscheuchte sie mit gespielter Verärgerung. Sie seufzte und starrte weiter wehmütig aus dem Fenster, wie er es ihr befahl, nur allzusehr daran gewöhnt, die Anweisungen eines Mannes zu befolgen. Aus dem Augenwinkel beobachtete sie, wie sein Bleistift wild über das Papier fuhr, aber die Resultate konnte sie nicht erkennen. Drückende Hitze ließ den Horizont schimmern, während der Zug sich durch eine gewundene Schlucht schleppte und allmählich aus der flachen Sandlandschaft zwischen zerklüfteten Felsvorsprüngen bergauf kletterte.
    Was kam da nur durcheinander im Kopf eines Mannes, wenn er den körperlichen Reizen einer Frau ausgesetzt war? Seit Jahren plagte Eileen diese Frage: Bringe einen ansonsten ganz vernünftigen Mann in die Gesellschaft einer ungewöhnlich attraktiven Frau – ihre Sicht war hinreichend ungetrübt von wunschgeprägter Eitelkeit, um sich selbst dieser Kategorie zuzuordnen –, und der arme Kerl war entweder auf der Stelle sprachlos oder verzehrt von dem Impuls, sie zu besitzen und zu beherrschen.
    Sie wälzte das Problem im Kopf hin und her: Ist dieser Wahnsinn eine Reaktion auf etwas, das ich tue, oder ist er das Werk unsichtbarer, biologischer Mechanismen? So oder so, abgesehen vom Eintritt in ein Kloster gab es anscheinend nichts, was sie dagegen hätte tun können; die Natur fügte sich nicht der Logik. Sex an sich war ohnehin nicht das Problem; es waren diese verdammten Paarungsrituale. Da war man besser als Katze oder Hund geboren und beschränkte all die Seelenqualen um die Frage, wer mit wem schläft, auf kurze, saisonbedingte Anfälle. Mit einem Teil ihres Herzens freute sie sich

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