Im Zeichen der Sechs
Frage, die ihnen nie in den Sinn kam.
Die Einstellung Arizonas zu The New City könne man bestenfalls mit ›leben und leben lassen‹ beschreiben, schrieb der Redakteur. Eine Reihe von Mormonen-Niederlassungen war in den letzten paar Jahren im selben nordwestlichen Teil des Arizona Territory entstanden, und auch sie hielten sich abseits, wie ihr Glaube es ihnen vorschrieb, ohne daß jemand es mißbilligte; schließlich sei rings um die Mormonen und die Reichtümer, die sie sich mit ihren Ranch- und Minenunternehmen geschaffen hätten, der gesamte Staat Utah erblüht. Es läge den Politikern in Arizona also fern, sich wegen kleingeistiger religiöser Vorurteile derartige potentielle Einkünfte entgehen zu lassen.
Also: Angesichts ihrer wirtschaftlichen Unabhängigkeit und gesellschaftlichen Selbstverwaltung gehe es schließlich niemanden etwas an, wenn diese Leute in The New City nach ihrem eigenen Glauben leben wollten, wie immer der aussehen mochte (darüber wußte anscheinend niemand etwas). Oder? Und wenn dieses Vorhaben, wie es bei den Nicht-Mormonen in Utah der Fall gewesen sei, der Gegend, in der sie ihre Gemeinschaft anzusiedeln beliebten, einen finanziellen Vorteil bringen könne, nun – um so besser. In absoluter Übereinstimmung mit der amerikanischen Garantie der Religionsfreiheit war dies die redaktionelle Position des Republican.
Innes hastete in die nächste Buchhandlung und kehrte mit einer detaillierten Karte des Arizona Territory zurück; dann ermittelte er die Lage von The New City nach den Angaben des Redakteurs im Herzen der östlichen Mojave-Wüste.
So weit, so gut. Die Frage, was sie daraufhin unternehmen sollten, wurde durch ein letztes Goldkorn aus der Redaktion des Republican endgültig beantwortet:
Gerüchten zufolge bauten die Bewohner von The New City ein Tabernakel, das mit dem kürzlich in Salt Lake City fertiggestellten der Mormonen konkurrieren würde. Niemand vom Republican hatte den Bau schon mit eigenen Augen gesehen, aber er wachse rapide, und angeblich benutze man dazu schwarze Steine aus Steinbrüchen im nördlichen Mexiko.
Die schwarze Kirche.
Doyle verließ das Telegrafenbüro, kehrte ins Palmer House zurück und stellte einen Wechsel über zweitausendfünfhundert Dollar für Major Rolando Pepperman aus, mit dem er seine Teilnahme am Rest der Tournee nach einer Unterbrechung von zwei Wochen garantierte – die benötige er, teilte er dem Major mit, für die Klärung nicht weiter spezifizierter privater Schwierigkeiten. Ans Bett gefesselt, verkatert und mißmutig, akzeptierte der Major Doyles Angebot ohne weitere Fragen; er rechnete voll und ganz damit, den Mann nie wiederzusehen, und empfand ein resigniertes Gefühl der Erleichterung. Sein Entschluß stand bereits fest: Wenn man ihn noch wollte, würde er zum Zirkus zurückkehren.
Weil ein Zusammenhang zu The New City nicht festgestellt worden war, erwähnte der Journalist des Republican in seinem Telegramm nichts von der Story, die zur Zeit die lokalen Schlagzeilen beherrschte: der köpfeabschlagende, flüchtige Chinamann Chop-Chop. Er hatte diesen Spitznamen höchstpersönlich geprägt – einer seiner großen Redakteursmomente.
Hätte er dies getan, wären Doyle, Jack, Presto, Stern und Die Allein Geht in noch größerer Hast zum Bahnhof Chicago geeilt, um die Karten für die einfache Fahrt nach Phoenix zu erstehen.
Denn in der Nacht zuvor hatte Die Allein Geht, die wiederum von dem Traum heimgesucht worden war, eine der anderen drei Gestalten erkennen können, die sich unter der Erde zu ihnen gesellten:
Es war ein Asiate mit einem Flammenschwert.
Als Dante Scruggs seinen verwüsteten Verstand wieder in einen nahezu funktionsfähigen Zustand gebracht hatte, erkannte er, daß er in einem fahrenden Zug saß. Ein Privatabteil, Tageslicht vor dem Fenster, auf der Fahrt durch offenes Land. Farmen, Weizenfelder. Drei Männer in Anzügen saßen bei ihm, vage bekannte Gesichter; er hatte sie in der Nacht zuvor in Fredericks Büro gesehen.
Die Männer, die ihm weh getan hatten.
Sie beobachteten Dante aufmerksam, als er zu sich kam, interessiert, aber ohne Emotionen oder Freundlichkeit. So unterschiedlich sie waren, wirkten die drei doch gleichförmig in Haltung und Gestik: Jeder von ihnen hielt, gespannt wie eine Bogensehne, eine Gewalttätigkeit im Zaum, die bei der leisesten Provokation hervorzubrechen drohte. Dante war dieses Gefühl nur allzu vertraut.
»Wie spät ist es?« fragte er.
Die drei Männer starrten
Weitere Kostenlose Bücher