Im Zeichen der Sechs
sich als riesiger schwarzer Turm, als er die fünf Meilen zum nächsten Tor geritten war. Und als Frank begriff, was er da sah, hielt er an; wieder hörte er Mollys Stimme:
Wie es aussieht, bist du jetzt mitten in jemandes Alptraum hineingeraten, Frankie. Wessen Alptraum, das weiß man nicht genau – deiner ist es jedenfalls nicht, denn ich komme nicht drin vor. Was machst du jetzt?
Du kennst mich, Molly: Halbe Sachen gibt’s bei mir nicht.
Eine riesige Hüttenstadt breitete sich vor ihm aus. Überraschend; von außen hatte er das Gefühl gehabt, The New City müsse aus lauter Lattenzäunen, schattigen Bäumen und sommersprossigen Kindern bestehen, aber das hier sah eher aus wie einer von diesen dreckarmen Slums, die er am Rande von Großstädten in Mexiko schon gesehen hatte.
Er ritt weiter. Lächelnde Gesichter winkten ihn durch ein zweites Tor. Am Wachhaus kam ihm ein hübsches junges Mädchen zu Pferde entgegen und eskortierte ihn zu einem Stall gleich abseits der Main Street. Als er durch einen Torbogen in den Hof spähte, sah Frank die Planwagen der Schauspielertruppe an einer Mauer stehen.
Hier war er richtig, soviel stand fest.
Fünf lächelnde junge Menschen in weißen Hemden, keiner älter als achtzehn, Schwarze und Weiße, begrüßten ihn eifrig, als er von seinem Pferd stieg. Ein Stallknecht führte sein Pferd und den Henry-Stutzen, der im Sattelhalfter steckte, davon. Sie drückten ihm ein Flugblatt in die Hand – The New City: Die Regeln für unsere Gäste – und baten ihn um seinen Revolver.
»In The New City sind Waffen nicht erlaubt«, sagte einer der Weißhemden und deutete auf Regel vierzehn auf dem Zettel, der fast so lang wie sein Arm war.
Frank sah ein, daß eine Diskussion nichts einbringen würde, und gab seinen Colt ab.
»Den Halfter behalte ich aber, wenn ihr nichts dagegen habt«, sagte er.
»Wir haben überhaupt nichts dagegen, Sir«, strahlte einer.
»Gut«, sagte Frank.
Weil ich nämlich wahrscheinlich die Patronen im Gurt für die Pistole brauchen werde, die ich im Stiefel versteckt habe.
»Würden Sie bitte den Hut abnehmen und die Hände über den Kopf heben, Sir?« fragte ein anderer.
»Wieso?«
»Damit wir Ihnen Ihr Hemd geben können«, sagte wieder ein anderer.
Zwei von ihnen falteten eins der weißen Hemden auseinander und hielten es bereit, um es ihm über den Kopf zu streifen. Frank dachte eine Sekunde lang darüber nach und kam dann zu dem Schluß, daß er die Schnauze voll hatte.
»Nein danke«, sagte er.
Er gab ihnen die Liste mit den Regeln zurück und ging aus dem Stall. Das Begrüßungskomitee wieselte ihm nach wie eine Schar aufgeregte Enten.
»Aber jeder, der zu uns kommen möchte, muß sein Hemd anziehen, Sir –«
»So steht es hier in den Regeln –«
Frank bog in die Main Street ein und ging immer weiter. Auf der Straße und dem mit Holzplanken belegten Gehsteig drängten sich geschäftige, lächelnde Menschen, die alle das gleiche weiße Hemd trugen. Frank sah zahlreiche Chinesengesichter in der Menge. Keines, das auf den ersten Blick der Beschreibung des Chinamannes entsprach, aber genug, um ihn zu dem Gedanken zu ermutigen, daß Chop-Chop womöglich nicht so weit weg war.
Frank blieb stehen und zündete sich einen Zigarillo an.
Die fünf Weißhemden, die ihm folgten, fingen an, aufgeregt miteinander zu tuscheln. Schließlich trat einer von ihnen, ein bebrillter schwarzer Bengel, vor und sagte:
»Bedaure, Sir, aber das Rauchen ist nicht erlaubt in The New …«
Frank drehte sich um und brachte ihn mit einem Blick zum Schweigen.
»Wieviel wollt ihr haben, damit ihr angeln geht?« fragte Frank und holte eine Handvoll Silberdollars aus der Tasche. »Einen Dollar pro Nase, wie wär’s damit?«
Schockiert starrten die fünf erst ihn, dann einander an.
»Es gibt kein Geld hier in The New City, Sir.«
»Wir haben alles, was wir brauchen.«
»Für alle unsere Bedürfnisse ist gesorgt.«
»So seht ihr aus«, sagte Frank und steckte die Münzen wieder ein.
»Es ist wichtig, daß jeder sich an die Regeln hält.« »Na klar, mein Junge, denn sonst gibt’s Anarchie, und damit kann man keine Eisenbahn betreiben, oder?«
Sie schauten ihn verständnislos an, bis der ernsthafte Schwarze mit dem runden Gesicht, der sich allmählich zu ihrem Anführer machte, den Faden der Auseinandersetzung aufgriff.
»Besonders, wenn jemand beitreten will. Man hat uns gesagt, Sie wollten sich uns anschließen.«
»Hat man, ja?«
»Sie wollen sich uns
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