Im Zeichen der Sechs
von einem harten Ritt. Einer verletzt; die andern halfen ihm vom Pferd. Blutbefleckter Verband am Oberschenkel, sah aus wie eine Schußwunde. Ein großer blonder Kerl, der Anführer der Reiter – eine Spur von ausländischem Akzent in seiner Stimme –, rief dem großen Mann etwas zu.
Etwas von einer Bürgerwehr.
Scheiße.
Der große Mann bellte ein paar Befehle; Weißhemden führten die Pferde weg. Andere, ganz in Schwarz, kamen vom Haus heruntergerannt, um mitzuhelfen, den Verletzten hineinzutragen. Einer der Reiter, ein kleinerer Blonder, nahm einen kleinen Koffer aus seiner Satteltasche, bevor er den anderen folgte. Nach weniger als einer Minute war alles vorbei. Das Treiben auf der Straße wurde augenblicklich wieder normal; keine Menschenseele, die stehenblieb, um sich zu wundern oder über das, was sie gerade gesehen hatten, zu tratschen.
So eine Kleinstadt habe ich noch nie gesehen, dachte Frank; nach einer Aufregung wie dieser würden die meisten Leute mindestens eine Stunde lang nicht aufhören zu quatschen.
Er beobachtete, wie der große Mann die Treppe zum Haus der Hoffnung hinaufging, und die Erkenntnis hatte ihm fast den Hut vom Kopf gehoben:
Er kannte den Kerl irgendwoher. Woher bloß?
Jesus, das war es: Cornelius Moncrief.
Knochenbrecher de luxe für die Eisenbahn. Vor zehn Jahren war Moncrief nach Tombstone gekommen und hätte einen armen kleinen Burschen, er war Buchhalter, beinahe totgeschlagen. Mitten im vollbesetzten Saloon. Behauptete, er hätte in der Verwaltung zwanzigtausend Dollar unterschlagen und sei damit abgehauen. Wenn das stimmte, so hätten Frank und die anderen Hilfssheriffs doch keinerlei Bargeld bei den Habseligkeiten des armen Hundes finden können; aber der hatte sich geweigert, Anzeige zu erstatten, und so hatten sie Cornelius für die Körperverletzung nicht einbuchten können. Und an Moncriefs Auftreten hatte man gemerkt, daß er wußte, seine Stellung bei den Bossen der Southern Pacific machte ihn unangreifbar.
Frank hatte den großen Mann auf Wyatts Anordnung hin zum Stadtrand eskortiert und ihm empfohlen, nie wieder einen Fuß in die Stadt zu setzen. Cornelius hatte ihm ins Gesicht gelacht und war davongeritten; er war verrückt, und er tat Leuten gern weh. Deshalb blieb er einem im Gedächtnis.
Was zum Teufel machte er hier?
»Bringt mich mal lieber zum Hotel«, sagte Frank.
Kanazuchi huschte davon, weg von den Arbeiterbaracken, nachdem er hinausgegangen war und die Latrine benutzt hatte. Die Wachen hatten am Morgen keine so scharfen Augen, und sie waren damit beschäftigt gewesen, den Arbeitern das Frühstück auszuteilen – Schüsseln mit Hafergrütze und eine Brotkruste –, das in einer Eßbaracke zwischen den Hütten aufgetischt wurde.
Auf seinem Weg durch das Gewirr der Behausungen zeigte Kanazuchi das passive, lächelnde Gesicht, das alle diese Weißhemden zur Schau trugen, und niemand sah ihn zweimal an. Bei Tageslicht stellte er fest, daß keines dieser Gebäude abseits der Main Street mit Farbe oder Kalk verschönert war. Keine Blumen, keine Verzierungen. Nur vier dünne Wände und Flachdächer aus Wellblech. Dreck und Verzweiflung. Die einzige attraktive Straße war eine falsche Fassade, die dazu diente, Besucher zu beeindrucken. Oder die Bürger bei der Stange zu halten.
Der Traum hatte ihm gesagt, er werde das Kojiki und die anderen heiligen Bücher in einer Kammer unter der Kirche finden, aber sein Geist hatte noch keinen Weg gefunden, das Problem zu umgehen, das die Kirche selbst darstellte: Wie er dort nach einem Eingang suchen sollte, wenn der Bauplatz Tag und Nacht von Arbeitern wimmelte.
Das runde Dach eines hohen Gebäudes im Süden fiel ihm ins Auge, und er wandte sich in diese Richtung. Auf dem Weg hörte er die Laute, die er am Abend zuvor vermißt hatte:
Kinderstimmen. Lachen.
Er folgte diesen Lauten zu einem umfriedeten Grundstück, umgeben von einem knotigen Stacheldrahtzaun. Im Innern der Umzäunung spielten Kinder im Staub; mehr als hundert liefen hin und her und warfen sich Bälle zu. Jungen und Mädchen verschiedener Hautfarbe. Keines war älter als acht oder neun. Auf der anderen Seite des Kreises stand eine Reihe von niedrigen Gebäuden, die Wohnbaracken. Mehrere Erwachsene standen am Rand; sie spielten nicht mit, aber ermunterten die Kinder auch nicht, beaufsichtigten sie nicht einmal. Schauten nur zu.
Kanazuchi hatte jetzt genug gesehen, um zu erkennen, daß die Leute in dieser Stadt unter der machtvollsten Form von
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