Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Zeichen der Sechs

Im Zeichen der Sechs

Titel: Im Zeichen der Sechs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Frost
Vom Netzwerk:
Achtung vor den anderen Tieren und ihren Göttern verloren. Die Menschen glauben jetzt, daß sie ihren eigenen Weg zur Erde gefunden hätten und daß sie allein hier seien, abseits vom Rest der Schöpfung. Ihr Verstand ist stark, aber indem sie sich dafür entschieden haben, diesem Weg zu folgen, haben sie sich von der Wahrheit abgewandt.
    Dies schafft eine Leere in ihnen. Und in diese Leere kommen die Gedanken des Verstandes, Gedanken, die sprechen mit der Stimme des Herzens. Gedanken an Macht und an die Herrschaft über andere. An Dunkelheit. Und so kommt es, daß die Wunde sich zu öffnen beginnt.«
    »Welche Wunde?«
    »Die Wunde in der Erde. Die Wunde, die wir in unserem Traum gesehen haben.«
    »In der Wüste.«
    Sie nickte. »Was die Menschen brauchen, ist Heilung, die Herz und Verstand wieder zusammenführt. Der Verstand sagt ihnen nur, daß sie mehr Macht brauchen, und auf diese Weise wird die Wunde tiefer. Ich erzähle Ihnen nur meinen Traum.«
    Jacks Miene wurde sanfter; Interesse schlich sich in seinen Blick und widerstand dem Schmerz.
    »In dem Traum ist uns ein Turm gemeinsam, der in der Wüste erbaut wurde.« Sie fühlte sich jetzt sicher genug, um ihn einzubeziehen. »Mein Volk benutzt das Medizinrad, um die Herzen zu öffnen und die Stimmen unserer Götter zu hören; zwar rufen wir zum Himmel hinauf, um sie zu hören, aber wir wissen, daß die Götter in uns leben und daß wir dorthin lauschen müssen.«
    »Und der Turm?«
    »Der Turm ist wie das Medizinrad, nur daß er in die Dunkelheit ruft. Darunter klafft eine Wunde in der Erde, und der Schwarze Krähe Mann bittet die Dunkelheit, emporzusteigen aus der Wunde und ihre Macht über die Erde zu verbreiten.«
    »Und so siegt die Finsternis«, sagte Jack.
    »So endet die Zeit. So werden die Menschen vernichtet, denn sie haben die Wunde geöffnet und dem Schwarze Krähe Mann erlaubt, diese Dunkelheit in die Welt zu rufen.«
    »Wer ist dieser Mann?«
    »Die falsche Stimme des Verstandes in jedem von uns. Im Traum ist er der, der die Menschen auf den falschen Weg führt und die Dunkelheit aus der Tiefe der Erde heraufruft.«
    »Und in der wirklichen Welt«, sagte Jack, »ist er mein Bruder.«
    Sie zögerte. »Ich glaube, so ist es.«
    »Und wer sind die Sechs?«
    »Die, die aufgerufen sind, ihm Einhalt zu gebieten.«
    »Aufgerufen von wem?«
    »Das zu sagen, kommt uns nicht zu.«
    »Aber Sie und ich, wir gehören dazu.«
    »Wir haben den Traum erhalten. Ja, ich glaube, das war der Grund.«
    Jack saß schweigend da, und sein Gesicht verzerrte sich, während er mit den Wogen seiner Gefühle kämpfte. Sie sah mitleidig zu, kam ihm aber nicht entgegen; er würde die Hände nach ihr ausstrecken müssen.
    »Wie denn? Wie können wir ihn aufhalten?« fragte Jack. Pure Angst lag in seinem Gesicht, und seine Stimme brach. »Ich habe es doch schon früher versucht. Ich habe versagt. Und auch gegen mich habe ich versagt; ich habe die Dunkelheit in mich kommen lassen.« Seine Stimme wurde zu einem Flüstern. »Ich habe Angst. Angst, ich könnte nicht stark genug sein.«
    Die Allein Geht atmete tief ein und schaute ihm zum ersten Mal richtig ins Gesicht. Dies war der Augenblick.
    »Sie müssen sich selbst heilen. Bevor Sie es noch einmal versuchen«, sagte sie.
    Er starrte sie an, und die letzte Panzerschicht seiner schützenden Wut zerschmolz. Er war verwundbar und real, und Tränen sammelten sich in seinen Augen.
    »Ich weiß nicht, wie ich anfangen soll«, wisperte er.
    »Aber Sie werden trotzdem versuchen, ihn aufzuhalten.«
    »Ja.«
    »Und Sie werden wieder scheitern. Ist es das, was Sie wollen?«
    »Nein.«
    »Dann haben Sie keine Wahl.«
    Er schüttelte den Kopf. Sie hatte recht. Die Tränen strömten ihm über die Wangen.
    Sie nahm seine Hände und hielt sie fest. Er sah sie an.
    »Ich werde Ihnen helfen«, sagte sie.
    Der erste Schrei aus dem Nachbarabteil riß Doyle jäh aus seinem unruhigen Schlaf. Er stürzte zur Tür hinaus, dicht gefolgt von Innes. Sie blieben vor Jacks Abteiltür stehen und lauschten. Rhythmischer Singsang drang zu ihnen heraus, die Stimme der Frau und der moschushafte Duft von brennendem Salbei. Und durch den Singsang hörten sie, ansteigend und abschwellend, ein leises Stöhnen und dann wieder einen langgezogenen Schrei, der ihnen die Haare zu Berge stehen ließ.
    »Gütiger Gott«, sagte Doyle.
    »Klingt, als würde er am Spieß gebraten«, meinte Innes.
    Doyle stieß die Tür auf; der Anblick, der sich ihnen bot, ließ sie beide wie

Weitere Kostenlose Bücher