Im Zeichen der Sechs
Augen vor den Tropfen zu schützen, die hernieder prasselten.
» Sterben – schlafen – nichts weiter – und zu wissen, daß ein Schlaf das Herzweh und die tausend Stöße endet, die unsers Fleisches Erbteil!«
Ein verheerender Schlag trennte Bendigos linke Hand fast vollständig vom Gelenk; zersplitterte Knochen baumelten an ein paar Fleischfasern. Ströme von Blut aus Schnitten an seiner Kopfhaut flossen ihm in Kaskaden übers Gesicht, und Höllenqualen durchdrangen jedes seiner Worte; Eileen glaubte zu hören, wie hin und wieder ein verzweifelter Schrei unter seiner Rede hervorhallte.
»’s ist ein Ziel, auf innigste zu wünschen. Sterben – schlafen – schlafen – vielleicht auch träumen! – Ja, da liegt’s –«
Kreischend bohrte Bendigo sich die Spitze seines Schwertes unter dem Korsett in den Bauch und plagte sich mit beiden Händen, um die stumpfe Spitze durch die widerstrebende Haut seines Rückens zu rammen.
Eileen wandte sich schluchzend ab; blind von Tränen der Wut versuchte sie sich aufzuraffen.
Reverend Day stand vor Bendigo und begann langsam zu applaudieren; er klatschte seine Affenhände zusammen, das Publikum nahm den Takt auf, und das Klatschen schwoll zu einem dröhnenden, rhythmischen Stampfen.
»– was in dem Schlaf für Träume kommen mögen …«
Bendigos Stimme versagte; sein Gesicht war eingefallen und aschgrau, und alle seine Empfindungen brachen hervor und unterstrichen seine letzten Worte.
»… wenn wir den Drang des Ird’schen abgeschüttelt … das zwingt uns stillzustehn …«
Und Bendigo starb mit weitoffenen Augen, schlaff in der Luft hängend. Das Publikum erhob sich, und der Applaus wurde zu einem donnernden Crescendo.
»Bravo! BRAVO!« rief Reverend Day.
Das Publikum verstärkte den höhnischen Tribut einhundertfach.
Reverend Day ließ die Hand kreisen: Und Bendigos Leichnam verneigte sich hierhin und dorthin in dumpfer Entgegennahme des einzigen Beifalls seiner langen, mittelmäßigen Karriere, den ihm das Publikum im Stehen spendete.
Eileen taumelte blindlings gegen die Rückwand. An einem Haken neben der Tür hing eine brennende Laterne. Sie nahm sie und schleuderte sie gegen den gefallenen Vorhang; die Laterne zerbarst, das Öl spritzte umher, der Lampendocht entzündete es, und es brannte.
Und als die Flammen am Bogen über der Bühne hinaufleckten, wandte Eileen sich um und floh durch die Hintertür aus dem Theater.
Dante hatte noch nie ein Theaterstück gesehen. Frederick und er kamen zu spät; die Vorstellung hatte schon angefangen. Sie nahmen hinter Reverend Day in einer Loge oberhalb der Bühne Platz. Er nahm an, daß die Schauspieler da unten eine Art Geschichte erzählten, aber er hatte wenig Lust, sich zu bemühen, dahinterzukommen. Was ihm gefiel, waren die bunten Bilder der Berge und die Teile der Burg, die auf die Bühne und wieder herunter gerollt wurden, und auch die Uniformen der Soldaten waren hübsch anzusehen: leuchtend rot mit vielen glänzenden Knöpfen.
Aber ganz besonders gefiel ihm das Mädchen mit den schwarzen Haaren und den Titten, die sich oben aus dem tief ausgeschnittenen Kleid wölbten. Er schob eine Hand in seinen Koffer und strich mit dem Daumen über die Schneide eines der Messer, und dabei träumte er davon, wie schön es sein würde, sie damit zu bearbeiten. Der Reverend und Frederick hatten ihm das Gefühl gegeben, in seiner Arbeit so frei zu sein, daß nun alles möglich zu sein schien. Wenn es zu Ende wäre, würde er sie vielleicht sogar fragen, ob er dieses Mädchen zum Spielen bekommen könnte.
Alles fing an, schiefzugehen, als dieser große Kerl, dieser Cornelius, in die Loge gestürzt kam. Es würde geschossen, berichtete er, und ein paar Wächter seien umgebracht worden. Als der Reverend aufstand und anfing zu schreien, sah Dante, wie eine große rote Wolke aus ihm hervorkam, als ob ein Pulverfaß explodierte.
Was immer der Reverend den Leuten da unten zubrüllte, es machte ihnen eine Heidenangst. Sogar Frederick wurde ein bißchen blaß, aber was Dante anging, so hatte er das Gefühl, daß der eigentliche Spaß jetzt erst richtig losging. Und dann schwebte der dicke Schauspieler vor ihnen in der Luft herum und fing an, auf sich einzuhacken, und Dante wußte, daß er recht gehabt hatte: Das hier war besser als die Mißgeburten auf dem Jahrmarkt.
Als das Feuer ausbrach, schrie Reverend Day den Leuten in den weißen Hemden zu: »AUF EURE PLÄTZE, LOS, LOS! WARTET AUF DAS SIGNAL!«
Was immer den
Weitere Kostenlose Bücher