Im Zeichen der Sechs
sind!«
Niemand atmete. Bendigo, aufgeplustert und empört, stand da und wich keinen Zollbreit.
Und Reverend Day lachte. Ein Glucksen erst, von echter Heiterkeit, das sich dann in ein rollendes, nachhaltiges Gelächter verwandelte, das anschwoll, bis sein Echo von den Wänden des Theaters widerhallte. Das Publikum fiel ein, und das Gelächter wuchs zu einer Brandung, deren Wellen nacheinander tosend über die Bühne hereinbrachen, die Kulissen erschütterten und Bendigos Selbstvertrauen mit sich rissen. Er tat zwei taumelnde Schritte rückwärts, und Schweißtropfen fielen von seinem feuchten, geschminkten Gesicht. Sein Schwert hing herunter; verzweifelt sah er sich nach Hilfe um, aber instinktiv zogen sich die anderen Schauspieler auf der Bühne zurück und wichen seinem Blick aus, denn sie witterten eine bevorstehende Bühnenkatastrophe.
Das Gelächter brach unvermittelt ab. In der Stille lehnte Reverend Day sich aus seiner Loge und lächelte zu Bendigo Rymer herunter.
»Ihr seid fertig.«
Er machte eine scharfe Geste mit der rechten Hand. Der Vorhang sauste auf die Bühne herunter, und Bendigo stand ganz allein am Rand des Proszeniums. Panisch tastete er sich am Vorhang entlang und suchte nach einer Öffnung.
Der Reverend ballte die Hände zu Fäusten und drehte sie. Bendigos Hosenträger zerrissen mit lautem Schnappen, seine Hose rutschte herunter und fiel ihm auf die Knöchel. Bendigo reagierte auf das Geräusch, bevor ihm klar war, was geschehen war; er tat einen Schritt nach hinten und fiel krachend aufs Kinn.
Hinter dem Vorhang machten Schauspieler und Bühnenarbeiter kehrt und rannten davon, sie stürzten aus dem Theater und stoben in alle Himmelsrichtungen davon. Eileen blieb allein zurück, gelähmt vor Angst, und schaute aus der linken Seitendekoration zu.
Bendigo Rymer rappelte sich mit dem fassungslosen Blick eines verletzten Kindes mühsam auf die Knie hoch, ein Bild dumpfer Ratlosigkeit. Wieder rollte das Gelächter des Publikums über ihn hinweg, ein rauhes, körperloses, freudloses Stampfen, das nicht aufhörte, gleichförmig und stetig.
Reverend Day lehnte sich an die Balustrade seiner Loge und schwenkte die Hände wie ein Orchesterdirigent. Die Knöpfe an Bendigos Hemd sprangen ab und tanzten über die Bühne. Die Schnürriemen an seinem Korsett zwirbelten und knoteten sich zusammen, die Stangen ächzten vor Anspannung und quetschten seinen Oberkörper in die Form einer Sanduhr; sie hörte, wie ihm die Luft aus der Lunge gequetscht wurde. Die absurde Prinz-Eisenherz-Perücke kreiste auf seinem Kopf und rutschte ihm über die Augen. Blind kroch er auf dem Boden dahin, und dann schien es, als verliere er nach und nach die Herrschaft über seine Bewegungen, bis er abrupt auf die Füße gestellt wurde, von einem Dutzend unsichtbarer Hände.
Eileen schaute an Rymer vorbei und sah, wie Reverend Day die Finger in der Luft bewegte, als bediene er eine Marionette. Und Bendigo tanzte mit kraftlos in der Luft hängenden Armen, ein erbärmliches Schlurfen, behindert durch die herabgerutschte Hose -
Und Eileen erinnerte sich, woher sie A. Glorious Day kannte. Sein Name war Alexander Sparks. Und sie hatte gesehen, wie er einmal auf die gleiche gespenstische Art Besitz von einem Mann ergriffen hatte, einem kleinen, liebenswerten Cockney und Gauner namens Barry. Das war vor zehn Jahren gewesen. Im Speisezimmer eines Landhauses an der Küste von Yorkshire. Zusammen mit sechs anderen wahnsinnigen Aristokraten hatte Sparks ein Komplott gegen die königliche Familie geschmiedet. Sie war ganz zufällig in die äußeren Maschen seines Netzes geraten, hatte sich aber schließlich in seinem Zentrum wiedergefunden, wo sie zusammen mit Sparks Bruder, einem Agenten der Königin Victoria, und einem jungen Arzt, der später ein berühmter Schriftsteller geworden war, gegen die Sieben gekämpft hatte. Unmittelbar nach diesem Erlebnis hatte sie England verlassen und war nach Amerika gegangen, und seitdem hatte sie keinen von diesen Leuten wiedergesehen.
Aber Alexander Sparks hatte nicht die geringste Ähnlichkeit mit diesem Reverend Day gehabt, und sie wußte keine Erklärung für diese Diskrepanz, es sei denn, das dämonische Herz des Mannes hatte sich langsam wie ein Wurm an die Oberfläche gefressen. Wenn es sich um denselben Mann handelte, war freilich erklärt, wie er diese Menschen in seinen eisernen Griff bekommen hatte; sie hatte schon beim letzten Mal erlebt, wie er ähnliche schwarze Wunder vollbrachte.
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