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Im Zeichen der Sechs

Im Zeichen der Sechs

Titel: Im Zeichen der Sechs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Frost
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Männer mit amerikanischem Akzent, Juden, einer von ihnen mit einem Davidstern um den Hals. Besorgnis über die Sicherheit an Bord, geäußert in hitzigem Tonfall – und wo denn ein bestimmter Gegenstand aufbewahrt werde? Ein Buch …
    Der jüngere der beiden Männer – schütterer Kinnbart und aschblonder Schnäuzer – sah verwirrt aus und schien ehrlich Angst zu haben. Hoffner klang höflich, aber angespannt; er war offenkundig verärgert. Das Gespräch verstummte augenblicklich, als Doyle um die Ecke kam. Ein vieldeutiger Blick vom zweiten der Männer, dem Älteren in dieser Partnerschaft, worin sie auch immer bestehen mochte: Erkennen, aufkeimende Erwartung, Erleichterung. Hoffner nickte Doyle zu und wartete, daß er vorüberging, bevor er das Gespräch mit den beiden wieder aufnahm, ungeduldig und in dem Wunsch, dieses Problem möge verschwinden.
    Doyle hielt Ausschau nach ihnen, aber die beiden Männer waren zum Essen nicht erschienen – doch, halt, da war der eine, der Ältere von beiden; er stand im Gang vor der Tür des Speisesaals auf den Zehenspitzen und schien in der sich zerstreuenden Gesellschaft nach jemandem zu suchen.
    Wahrscheinlich nach mir, dachte Doyle. Aber er hatte jetzt keine Zeit, sich um den Mann zu kümmern; er kam ohnehin schon zu spät zur Abendunterhaltung.
    Sophie Hills hatte das einfache, vernünftige Gesicht und die nüchtern-sachliche Art einer geliebten Kinderfrau oder einer Gemüsehändlersgattin aus der Nachbarschaft. Kurzes, ergrauendes Haar. Keinerlei Zugeständnisse an die Mode. Der Blick klar und wach, der Händedruck fest wie der eines Admirals. In der korsettlosen Kleidung einer Suffragette zeigte sie nichts von der wolkigen Affektiertheit, wie sie unter den wandelnden Toten im Gewerbe der Geisterbeschwörer so verbreitet war. Nachdem sie Doyle vorgestellt worden war, eröffnete sie die Seance händeklatschend, als handele es sich um die Sitzung des Kleingärtnervereins von Wimbledon, und nahm zielstrebig ihren Platz vor den fünf Stuhlreihen ein, die man in die Schiffsbibliothek gezwängt hatte. Das Publikum kam rasch zur Ruhe.
    Kein runder Tisch, kein Händehalten, kein Kerzenlicht Miß Hills kam unmittelbar zur Sache. Neben ihr war ein Stuhl für Mrs. Saint-John reserviert, damit sie ihr zur Hand gehen konnte. Doyle setzte sich links von ihnen in die erste Reihe, umgeben von seinen Gefährten vom Kapitänstisch Weder Innes noch der amerikanische Reporter waren zu sehen; er hatte seinem Bruder nichts von der Veranstaltung erzählt, und offenbar hatte sich die Kunde davon auch auf keinem anderen Wege zu Pinkus herumgesprochen. Doyle bemerkte, daß der rothaarige irische Priester sich rechts hinter ihm niederließ. Er hatte den Mann seit ihrer ersten Begegnung auf dem Topdeck nicht mehr gesehen. Sie begrüßten einander mit höflichem Kopfnicken.
    Mrs. Saint-John begann mit den üblichen vorbeugender Anmerkungen, die eine Seance einzuleiten pflegten Manchmal folgten die Geister ihren eigenen Bedürfnissen, sie zeichneten sich durch nichts so sehr aus wie durch Unberechenbarkeit, und was ihre Aussagen angehe, so gebe es keinerlei Garantie für vollständige Authentizität …
    »Manchmal führen sich die Geister genauso bockig und lächerlich auf wie jeder lebende Mensch. Zumal unsere engsten Verwandten«, sagte Sophie.
    Herzhaftes Gelächter. Das Eis war gebrochen. Raffiniert Bemerkenswert entspannte Atmosphäre, dachte Doyle. Absolut frei von allem Firlefanz und Hokuspokus. Bis jetzt. Doyle sah sich um – Da war der junge Mann von der Brücke; er schob sich von hinten in den Raum. Ihr Blicke trafen sich kurz, und er zwängte sich auf einen der wenigen freien Sitze. Was will er nur? fragte sich Doyle. Na, ich werde es wohl bald erfahren -
    Halt: Zwei weitere Gestalten drängten herein.
    Innes und Pinkus mit seinem albernen Hut.
    Verflixt.
    »Wenn ich jetzt um absolute Ruhe bitten dürfte«, sagte Mrs. Saint-John.
    Sophie Hills lächelte, winkte – wie ein Kind: bye-bye –, dann schloß sie die Augen und begann einige Male tief durchzuatmen. Ihr Körper erschlaffte zusehends und erstarrte dann jäh in einer ungelenken Haltung, die ganz anders war als die, welche sie vor dem Einsetzen der Trance eingenommen hatte. Sie hatte die Finger verschränkt und die Hände ineinandergelegt, als seien sie von den weiten Ärmeln eines Hausmantels umhüllt, so daß die Ellbogen steif zur Seite abstanden. Der Kopf, der auf dem langgestreckten Hals saß, wackelte sacht hin und her, als

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