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Im Zeichen der Sechs

Im Zeichen der Sechs

Titel: Im Zeichen der Sechs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Frost
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bestanden.
    Mrs. Saint-John beugte sich zu Sophie hinüber und flüsterte ihr den Namen zu. Nach einer Pause legte »Mr. Li« die Stirn in Falten; er verdrehte den Hals und schloß die Augen. Schließlich schüttelte er den Kopf.
    »Dieser Mann nicht hier drüben«, sagte er.
    »Das heißt, Sie sind außerstande, Kontakt mit ihm aufzu nehmen?« fragte Doyle. Sonderbar – normalerweise band man ihm einen Packen Lügen auf; diese Antwort hatte er noch nie bekommen.
    »Nein. Er nicht hier. So sorry.«
    »Verzeihung, aber ich verstehe nicht …«
    »Was verstehen Sie nicht, Mistah? Sie ziemlich schlauer Bursche, nicht? Ich glaube. Hören auf Mr. Li: Mann nicht hier. Mann nicht tot.«
    »Nicht tot? Das ist unmöglich.«
    »Oh, jetzt glauben Sie, Mr. Li ist Lügner, hm? Na, wissen Sie, Mr. Li hat schon schlimmere Namen bekommen –«
    Doyle kam sich absurd vor: Da saß er nun und stritt sich mit einer Engländerin, die tat, als sei sie ein Chinese, vor einer Gruppe deutscher Touristen – und einem amerikanischen Reporter – um den Tod eines Mannes, der in einem Kampf auf Leben und Tod mit seinem Bruder eng umschlungen an einem Wasserfall in die Tiefe gestürzt war wie es Larry, sein vertrauter Sekretär, bezeugt und ihm berichtet hatte. Ein feines Benehmen für einen prominenten Autor.
    Andererseits, alles, was die anderen Medien, die er nach Jack gefragt hatte, ihm je aufgetischt hatten, waren offensichtlich erfundene Platitüden gewesen, die in keinerlei Beziehung zu dem wirklichen Manne gestanden hatten …
    Peng!
    Doyles erster Gedanke: Ein Schuß. Nein, eine Glühbirne war geplatzt, in einer der Deckenlampen über ihren Köpfen. Ein Funkenregen ging sanft über dem Publikum nieder.
    »Schauen Sie, was passiert, Mistah, sehen Sie? Jetzt machen Sie Geister böse!«
    Mr. Li lachte wieder, allein diesmal. Das Publikum war verwirrt: Dieser Mr. Li nun war weniger freundlich; seine Stimme klang ferner, jenseitiger, metallisch und kalt. Die Temperatur im Zimmer sank, als seine Wärme schwand und man fühlte sich mulmig und unbehaglich. Manche fröstelte, und ein paar Damen zogen sich ihre Schals fester um die Schultern. Eine Frau stöhnte unabsichtlich.
    Die Luft um Sophie Hills wurde dicht und hell, und sie war plötzlich nicht mehr so gut zu erkennen. Mr. Lis Gelächter brach jäh ab; Sophie rang nach Luft, und der Atem blieb ihr im Halse stecken. Sie riß die Augen weit auf und schien von Panik erfaßt. ›Mr. Li‹ war nicht mehr da. Mrs. Saint-John blieb starr vor Schrecken sitzen.
    Das gehört nicht zum Programm, dachte Doyle und erhob sich von seinem Stuhl. Niemand sonst im Raum rührte sich. Pinkus klebte an der Wand. Ur-Angst. Er sah, wie Innes einen Schritt auf die beiden Frauen zu machte -
    Peng!
    Noch eine Glühbirne zerbarst. Schreckensschreie. Leute retteten sich hastig zur Seite, um den Funken zu entgehen.
    Doyle fühlte eine Hand auf der Schulter: der Priester.
    Sophie fiel auf die Knie. Ihr Körper zitterte haltlos, aber ihre Augen blickten klar und flehentlich; sie rang mit etwas Unsichtbarem, Turbulentem – mit einer Macht, die in sie eindringen wollte?
    Der Priester sprang rasch zu ihr nach vorn.
    »Jemand in diesem Raum!« rief Sophie, und ihre Stimme war von Entsetzen verzerrt. »Jemand ist nicht, was er zu sein scheint! Hier ist ein Lügner!«
    Innes hatte sie als erster erreicht. Er packte sie beim Arm. In diesem Augenblick verlor Sophie Hills die Schlacht, die sie da schlug, was immer es sein mochte: Ihre Augen schlossen sich, und ihr Körper wurde starr wie ein Klotz Eichenholz. Dann wandte sie sich Innes zu und öffnete wieder die Augen – sie schüttelte den Arm, und Innes flog zur Seite, als habe ihn ein durchgegangenes Pferd über den Haufen gerannt, und landete krachend in der ersten Stuhlreihe.
    Doyle schob eine Schulter nach vorn und warf sich mit seinem ganzen, beträchtlichen Gewicht gegen die Frau. Sie gab kaum einen Zollbreit nach, es war, als sei er gegen eine Wand gerannt. Er schlüpfte um sie herum, umschlang Sophie Hills von hinten wie ein Bär, preßte ihr die Arme an den Körper und hielt sie fest. Der Priester streckte ihr ein Kruzifix entgegen. Sie hörte auf zu zappeln, und ihr Blick richtete sich starr auf das Kreuz. Innes rappelte sich elastisch auf, kam zurück und schloß seine Arme um die Schultern der Frau. Sie leistete keinen Widerstand, aber eine wilde Energie flutete durch ihren Körper; die beiden Brüder äußerten später übereinstimmend, es habe sich angefühlt,

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