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Im Zeichen der Sechs

Im Zeichen der Sechs

Titel: Im Zeichen der Sechs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Frost
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erschreckender Plötzlichkeit anschwoll und aus allen Richtungen gleichzeitig über sie hereinbrach. Die Mauern bebten, Mörtelstaub erfüllte die Luft, Geländer und Deckenlampen ratterten. Die Unruhe nahm an Intensität zu und verwandelte sich in ein ohrenbetäubendes Donnern. Jack warf sich mit der Schulter gegen die Tür vor ihnen; sie stürmten durch eine leere Wohnung und erblickten zu ihrer Verblüffung das schwankende, hell erleuchtete Innere eines Zuges, der beinahe in Reichweite vor dem Fenster vorüberpeitschte.
    »Die Hochbahn«, sagte Stern. »Gott sei Dank, das ist die Second Avenue. Ich hatte fast vergessen, wo wir waren.«
    Als der Zug vorüber war, sprangen sie aus dem Fenster auf das Bahngleis, das in Höhe des ersten Stocks über der Straße entlang nach Norden und nach Süden führte, so weit das Auge reichte. Von den Dusters war nichts zu sehen und nichts zu hören.
    »Zwei Fragen«, sagte Jack und spähte die schmalen Gleise hinunter. »Wo ist die nächste Station, und wann kommt die nächste Bahn?«
    »Die nächste Station liegt nördlich von hier an der Fourteenth Street, dort hinauf, ungefähr neun Straßen weiter«, sagte Stern und deutete nach vorn. »Und die Züge fahren alle paar Minuten.«
    Jack rannte in nördlicher Richtung los und sprang geschickt zwischen den Gleisen von Schwelle zu Schwelle; die anderen bemühten sich, mit ihm Schritt zu halten. Doyle konnte seine ausgreifenden Schritte nicht an die unbequeme Weite der Zwischenräume anpassen, trat häufig daneben und blieb bald zurück. So war er auch der erste, der das Gekläff der Dusters horte, als diese entdeckten, daß sich die Gejagten auf die Hochbahn hinausgeflüchtet hatten. Als Doyle sich umschaute, sah er, wie sich zwei Straßenblöcke hinter ihnen ein Schwall von Gangstern aus dem Fenster auf das Hochgleis ergoß. Dann nahm die Meute die Verfolgung auf den Schienen auf, und ihr enervierendes Geheul und Geschrei hallte durch den künstlichen Canyon der Straße.
    »Komm schon, Arthur; dreh dich nicht um«, rief Innes, der seinen Schritt verlangsamte, um neben ihm her zu laufen.
    Doyle nickte nur. Seine Lunge brannte wie Feuer, und das Sprechen überstieg die Kräfte der beiden Brüder, als sie jetzt all ihre Energien aufboten, um Jack zu folgen. Aber die unerbittlichen Jäger hatten den Vorteil der Ortskenntnis; während sie nach Norden liefen, verkleinerte sich der Abstand langsam, aber stetig, und ein paar der Verfolger unten auf der Straße hatten sie sogar schon überholt. Auf dem Parallelgleis, das auf der anderen Straßenseite in südlicher Richtung verlief, rumpelte ein Zug vorbei und übertönte für einen Augenblick das Schaben ihrer Schritte auf dem Schotterbett und das Rasseln ihres Atems. Steine und Flaschen zerschellten ringsherum, als die Dusters bis auf Wurfweite herangekommen waren. Doyle erhaschte einen Blick auf ein verschnörkeltes Schweizer Chalet, das am Rand der Gleisbrücke stand, und fragte sich, ob er halluzinierte. Ein Straßenschild ragte unversehens in sein Gesichtsfeld: noch drei Häuserblocks.
    Jack blieb jäh vor ihnen stehen und warf einen Behälter in die schrumpfende Lücke zwischen den Doyles und den Dusters. Weißer Pfefferdunst wölkte auf, aber die Dusters hatten aus ihrer ersten Erfahrung gelernt und spurteten entweder hastig hindurch oder warteten, bis die Wolke verweht war – ein Nettogewinn von nur wenigen Sekunden.
    Jetzt kam die Station vor ihnen in Sicht, aber der Abstand zwischen den beiden Gruppen betrug nur noch fünfzig Schritt und verringerte sich rasch – Doyles Muskeln, kurz vor dem Totalausfall, drohten sich festzufressen, und Jack waren anscheinend die Tricks ausgegangen –, als plötzlich die Gleisbrücke zu rumoren und zu summen begann. Ein grellweißer Lichtstrahl erfaßte die galoppierenden Dusters, als der Zug in schneller Fahrt von hinten herankam. Noch hundert Schritt bis zum Bahnsteig: Innes packte seinen Bruder beim Arm und trieb ihn zum Ziel wie ein irischer Jockey.
    Das dröhnende Signalhorn des rasenden Triebwagens fegte die Dusters zu beiden Seiten von der Gleisbrücke; einige fielen auf die Straße, andere klammerten sich außen an das Gerüst, als der Zug vorüberdonnerte. Doyle stolperte und schlug auf die Schwellen; Schottersplitter bohrten sich in seine Handflächen, als er über das Gleisbett rutschte. Jack, der anscheinend bis dahin ungenutzte, übermenschliche Reserven anzapfte, tauchte neben ihm auf, hob Doyle mit Innes’ Hilfe hoch und

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