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Im Zeichen der Sechs

Im Zeichen der Sechs

Titel: Im Zeichen der Sechs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Frost
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Zimmers auf und schätzte den Abstand zum Nachbarhaus ab: etwa acht Fuß über einen offenen Luftschacht. Während die Zimmerbewohner geduckt davonhuschten, zog Jack eine kurze Eisenstange aus dem Mantel und stemmte ein kräftiges Dielenbrett aus dem Fußboden. Er arbeitete verbissen, ohne auch nur eine Miene zu verziehen; er war der einzige, der von dieser Reise durch das Gebäude äußerlich unbeeinträchtigt blieb; sein Handeln in der Hitze des Gefechts, das Doyle früher einmal als Inbegriff von Tollkühnheit und heroischer Tatkraft erschienen war, wurde jetzt von brutaler Effizienz beherrscht.
    Sie legten das Brett von einem Fensterbrett quer über den Luftschacht zum gegenüberliegenden, und Jack ging als erster hinaus und prüfte es mit seinem Gewicht; es bog sich ein wenig durch, als er in der Mitte angekommen war, brach aber nicht. Er schlug das Fenster am Haus gegenüber ein und zischte wütend in die Dunkelheit, um die Bewohner, falls welche da waren, einzuschüchtern und so von der Verteidigung ihres Reviers abzuhalten. Stern folgte ihm, das Buch Sohar fest an die Brust gedrückt; dann kam Innes mit drei federnden Schritten und zum Schluß Doyle, dessen Körpergewicht das Brett bis an die Grenzen seiner Tragfähigkeit belastete. Er konnte vernünftigerweise nicht die Augen schließen, ertrug es aber auch nicht, hinunterzuschauen. Als die Planke knackte, war er genau in der Mitte; er schrie einmal erschrocken auf und blieb stocksteif stehen, bis das Brett zu wippen aufhörte, und noch ein bißchen länger.
    Allen hektischen Anfeuerungen der anderen zum Trotz war Doyle anscheinend völlig außerstande, auch nur einen einzigen weiteren Schritt vorwärts zu tun; ein massiver Kurzschluß zwischen Gehirn und Füßen. Als Gejohle und Kriegsgeheul von unten erkennen ließ, daß sein Aufschrei die Dusters um das Gebäude herumgelockt hatte, war er noch immer bewegungsunfähig. Selbst als ihm Steine und Abfälle um die Ohren schwirrten, konnte er seine Beine nicht davon überzeugen, daß ein weiterer Schritt das Holz nicht zerbrechen und ihn krachend ins Verhängnis stürzen lassen würde. Und während er so verharrte, verbreitete der Riß im Holz sich wie ein Spinnennetz. »Kommen Sie schon, Arthur –« »Noch zwei Schritte, alter Junge.«
    Die Planke schien auf die Breite eines Zahnstochers zusammenzuschrumpfen. Eine einzige Bewegung in welche Richtung auch immer bedeutet dein Ende, kreischte Doyles Gehirn. Die drei Männer im Fenster bewegten die Lippen und wedelten mit den Armen, aber er schien sie nicht zu hören oder auch nur zu erkennen, sondern hatte sich offenbar damit abgefunden, den Rest der Ewigkeit gefangen in diesem Augenblick zu verbringen. Ein Stein traf ihn an der Schulter und brachte ihn ins Wanken. Doch der stechende Schmerz hatte die heilsame Wirkung, die Verhedderung seines Geistes zu lösen und ihm die Herrschaft über seine Gliedmaßen wiederzugeben.
    »Gütiger Gott!« schrie er, als er seine Lage erkannte. Er tat einen großen Schritt vorwärts, das Brett knickte in der Mitte ein und bildete für einen Augenblick ein ›V‹, ehe es vollends durchbrach; seine Hände fuhren verzweifelt nach vorn und bekamen etwas zu fassen, als die Planke unter ihm in die Tiefe stürzte. Er schaute hinauf in Jacks vom Fenster umrahmtes Gesicht, fühlte etwas Kaltes in den Händen und begriff, daß er das Ende des Stemmeisens umklammerte, das Jack festhielt. Jack und Innes zogen ihn wie eine erschöpfte Forelle über das Fenstersims in Innere.
    »Ich hatte vergessen, wie sehr Sie Höhen lieben«, sagte Jack.
    »Das ist wie Fahrradfahren«, sagte Doyle. »Man verlernt es nie.«
    Steine und Flaschen zerbarsten an den Wänden, und Glasscherben flogen umher. Eine zweite Salve kam schräg von oben durch das Fenster; die Dusters auf dem Dach des Tors zur Hölle hatten ihre Position ebenfalls ausgemacht. »Wir sind noch nicht raus«, stellte Jack fest. Doyle nickte tapfer und rappelte sich auf. Seine Kammgarnhose war an den Knien zerrissen, seine Schuhspitzen waren aufgeschrammt. Sie drückten sich hinaus in den Flur des neuen Hauses, sprangen die erstbeste Treppe hinunter und hörten im nächsten Augenblick, wie die Dusters zwei Stockwerke tiefer die Haustür aufbrachen. Gepolter und Kriegsgeschrei über ihnen verriet, daß auch die Dachabteilung die Lücke übersprungen hatte. Sie saßen in der Falle und konnten sich nirgends mehr hinwenden.
    Ein neues Geräusch schob sich herein, ein leises Rumpeln, das mit

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