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Im Zeichen der Sechs

Im Zeichen der Sechs

Titel: Im Zeichen der Sechs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Frost
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brachen, hinter einen Schornstein in Deckung. Jack setzte die Zündschnur in Brand, dann liefen sie weiter. Ihre Verfolger waren die Leiter halb heraufgeklettert, als die Ladung explodierte und die Verstrebungen aus der Wand riß. Die Leiter und die beiden vordersten Dusters krachten hinunter auf das Dach.
    Doyle bog zur Straßenseite des Daches ab und warf einen beklommenen Blick durch die Schwaden der Nachtluft nach unten. Die Hauptmeute der Dusters hielt unten mit ihnen Schritt; andere sprinteten voraus, um zu sehen, ob sie nicht weiter vorn in ein Gebäude eindringen, heraufkommen und ihnen den Rückzug abschneiden könnten. Wie sie die Gejagten oben auf dem Dach mit Hohngeschrei und jauchzenden Schlachtrufen begleiteten, erschienen sie für Auge und Ohr wie Steinzeitwilde auf der Jagd, und in mancherlei Hinsicht waren sie ja eben dies.
    »Ganz praktisch, ihn bei sich zu haben, deinen Jack«, sagte Innes und kam zu ihm an den Rand. »Durchaus.«
    »Ich wünschte, ich hätte meine Enfield hier«, sagte Innes und feuerte einen imaginären Schuß auf die Dusters unter ihnen ab. Er war in seinem Element, wie Doyle nicht ohne Stolz feststellte.
    »Hier entlang«, sagte Stern.
    Mit dem Dach des nächsten Gebäudes war, wie sich herausstellte, der Häuserblock zu Ende; vom Dach des Hauses in der nach links führenden Straße trennte sie eine zehn Fuß breite Kluft; dort ging es fünfzig Fuß tief hinunter in undurchdringliche Dunkelheit. Sie sahen sich um; zwei Dächer weit hinter ihnen hatten die Dusters mit dem profunden Einfallsreichtum der Eingeborenen inzwischen eine menschliche Pyramide errichtet. Die Hälfte des Trupps hatte die leiterlose Wand bereits erklommen und zog die anderen nun herauf.
    »Wir müssen springen«, sagte Jack. »Ist das wirklich notwendig?« fragte Doyle. »Wenn Sie keine anderen Vorschläge haben …« Jack legte ein loses Brett schräg auf die Einfassungsmauer und errichtete so eine kleine Rampe.
    »Was ist mit den Büchern?« fragte Stern, der bisher nichts getan hatte, was den Eindruck von Standfestigkeit beeinträchtigt hätte, den Doyle an Bord der Elbe von ihm gewonnen hatte.
    »Die übernehme ich«, sagte Jack.
    Er nahm den Männern die beiden Bücher ab, trat zurück, nahm einen gemessenen Anlauf die Rampe hinauf und übersprang die Lücke mühelos; behende landete er drüben auf den Füßen.
    »Du als nächster«, sagte Doyle zu Innes.
    »Hast nicht viel übrig für große Höhen, was, Arthur?« Innes nahm Anlauf und sprang. »Du schaffst es schon.«
    Stern folgte ihm; Jack und Innes fingen ihn auf, denn er sprang ein wenig zu kurz, und so zogen sie ihn über die Dachkante.
    Doyle trat für seinen Sprungversuch so weit zurück, wie er konnte; er straffte sich und wünschte, er hätte nicht seine hohen Schuhe mit den glatten Sohlen angezogen. Pfeilgerade rannte er los und preßte die Augen zu, als er sich in die Luft erhob. Seine Bruchlandung drückte eine Delle ins Dach und nahm ihm den Atem.
    »Alles in Ordnung, Arthur?« fragte Innes, als sie ihn auf die Beine gestellt hatten.
    Doyle nickte und schnappte nach Luft.
    Sie holten Stern ein, der am Rand des Nachbardaches stand und furchtsam zu dem Gebäude hinüberstarrte, das ein paar Schritt vor ihnen lag.
    »Was ist?« fragte Innes.
    »Das Tor zur Hölle«, sagte Stern.
    »Hier? In New York?« fragte Innes. »Ich dachte, das ist in Wapping.«
    »Wovon reden Sie?« fragte Jack.
    »Das Gebäude da – so heißt es. Der berüchtigtste Slum der ganzen Stadt; über tausend Leute wohnen dort.«
    Sogar von oben betrachtet, und inmitten dreckiger Nachbarhäuser, fiel das Gebäude ins Auge. Ein Gewirr von Zelten und schäbigen Verschlägen überzog das Dach, und von den Rändern des Anwesens erhob sich eine massive Säule von fast unerträglichem Gestank – von Schmutz, Kot, Krankheit und faulem Fleisch.
    Hinter ihnen erhob sich Geheul, das von unten beantwortet wurde; es signalisierte ihnen die unmittelbar bevorstehende Ankunft der Dusters. Sie konnten nicht anders, sie mußten weiter vorwärts laufen.
    Als sie über das Dach rannten, spähten Gesichter aus den Hütten, weiß wie Totenschädel, verhungert, vertrieben. Im Innern der windigen Verschläge sah man schattenhafte Gestalten, die sich um kleine brennende Tonnen drängten und tatenlos auf weiteres Mißgeschick warteten. Als sie sich der anderen Seite des Daches näherten, hörten sie, wie die Schreie ihrer Verfolger von ähnlichen Rufen vor ihnen wie von einem Echo beantwortet

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