Im Zeichen der Sechs
wuchtete ihn auf den Bahnsteig hinauf, gerade als der Zug an ihnen vorbei in die Station einrollte und bremste.
Die Türen glitten auf. Stern trug das Buch Sohar, Innes zerrte Doyle in den leeren letzten Wagen, dann ließen sie sich alle erschöpft auf die hinterste Bank fallen. Als der Zug anfuhr, warf Jack das falsche Exemplar des Sohar auf das Gleis, und sie beobachteten, wie die neu formierten Dusters beim Endspurt den letzten Wagen um wenige Zoll verpaßten.
8
Als das Läuten der Türklingel ihn am nächsten Morgen aus seinem totenähnlichen Schlaf in Präsident Clevelands Bett riß, hatte Doyle seine Verabredung mit ›Presto‹ Peregrine Raipur, dem angeblichen Maharadscha von Berar, ganz vergessen. Die beiden Männer bedachten einander mit ausführlichen Entschuldigungen, während Doyle nach dem Frühstück telephonierte. Jack, der den Rest der Nacht in einem der riesigen Salons der Suite verbracht hatte, erschien wie ein Gespenst, als Stern und Innes – der wunderbare, fähige und so zuverlässige Innes – gerade zur rechten Zeit mit einer Kanne Kaffee aufkreuzten. Doyle stand da und bemühte sich, die hartnäckigen Verkrampfungen in seinen Gelenken zu lösen, und mit milder Besorgnis dachte er an das Aufsehen, das er in der vergangenen Nacht im Foyer erregt hatte, als er nach Mitternacht dreckverschmiert und mit blutigen Knien, die aus einer zerrissenen Hose lugten, ins Hotel zurückgekehrt war: wieder ein Tourist, der im alten New York Spaß und Abenteuer erlebt hatte.
Jack und Presto maßen einander wie zwei gegnerische Schachspieler; Jack gewann schließlich gegen den Fremden, aber Presto war nicht leicht aus dem Konzept zu bringen. Zwar war er noch immer seiner Rolle entsprechend gekleidet – Reitjacke, Kniehose, hohe Schaftstiefel, rote Samtweste –, aber der geckenhafte Habitus, mit dem er auf dem Fest aufgetreten war, schien nur gespielt gewesen zu sein. Sein Blick war geradeheraus, stetig und selbstsicher, seine Stimme ein angenehmer Bariton; statt herumzuflattern wie erschrockene Tauben, bewegten sich seine Hände nun in seidigen, zuversichtlichen Gesten, mit denen er seine Geschichte von einem weiteren verschwundenen Buch untermalte.
Ein seltenes Manuskript der Upanischaden, des zentralen Bestandteils der Weden, jener Gruppe von Büchern, die das Fundament der Hindu-Religion bildete – gestohlen vor sechs Monaten aus einem heiligen Tempel in der Stadt Golcanda im indischen Fürstenstaat Haiderabad. Auf Befehl des sechsten Nisam von Haiderabad, des herrschenden Maharadscha, den viele für den reichsten Mann der Welt hielten, war der Diebstahl als Staatsgeheimnis behandelt worden. Auf der Suche nach jemandem, der das Verbrechen aufklären könnte, hatte der Nisam schließlich seinen entfernten Cousin und Zeitgenossen angesprochen, den hochgeborenen, in England erzogenen Presto Peregrine Raipur, einen der wenigen Angehörigen seiner privilegierten Generation, der sein Leben nicht nur der Jagd nach selbstsüchtigen Vergnügungen gewidmet hatte.
»Soll das heißen, Sie sind tatsächlich ein Prinz?« fragte Innes.
»Mit einem Wort – und ich spreche es mit einiger Verlegenheit aus –, jawohl, ich bin, technisch gesehen, der Maharadscha von Berar, doch ich versichere Ihnen, daß es eindrucksvoller klingt, als es seiner tatsächlichen Bedeutung entspricht.« Während er sprach, ließ Presto eine Silbermünze zwischen den langen, spitz zulaufenden Fingern hin und her rotieren. »Inwiefern?«
»Vor vierzig Jahren übereignete mein Großvater in einem Anfall irregeleiteter Loyalität die Ländereien unserer Ahnen dem Nisam, dem Beherrscher der benachbarten Provinz Haiderabad; und sogleich übergab der Nisam den Briten zur Regulierung einer lange ausstehenden Schuld die Aufsicht über unsere Güter. Mein empörter Vater, seines Titels beraubt und buchstäblich ohne einen Penny in der Tasche, bereicherte den Namen der Familie um einen weiteren Skandal, indem er eine Engländerin heiratete, eine Stellung als Bankier annahm und nach London zog, wo ich geboren und erzogen wurde.«
Presto machte eine Pause, ließ die Münze verschwinden und begutachtete mit bewunderungswürdiger Selbstbeherrschung ihre Reaktionen.
»Mein Interesse an der Zauberei begann, als ich im Kindesalter die englische Music Hall besuchte. Inzwischen bin ich gewandt genug, um gelegentlich selbst eine Wohltätigkeitsvorstellung zu geben. Presto, der zaubernde Rechtsanwalt!«
Er machte eine Handbewegung, und die Münze
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