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Im Zeichen der Sechs

Im Zeichen der Sechs

Titel: Im Zeichen der Sechs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Frost
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sich eine Zigarette an, richtete sich hoch auf und schlenderte auf den Gleisen davon. Der Schwarm von Polizisten und Freiwilligen blieb zurück; wann immer er sich bemühte, so auszusehen, als denke er angestrengt nach, machten sie alle einen großen Bogen um ihn. Mit seinem großen Hut und seinen Stiefeln überragte er die Menge turmhoch. Das gelbe Hirschleder leuchtete in der Sonne. Sein ausladender Schnurrbart kündete von rauhem, selbstlosem Heldentum. Undeutlich nahm er einen Schwärm Weiber wahr, die ihn vom Bahnsteig aus beobachteten; sie kicherten und gackerten wie Hofhühner. Anscheinend hatten sie seine Jacke erkannt. In der Lokalzeitung war bereits ein Artikel über Franks vermeldenswerte Entlassung und seine Beteiligung an der Menschenjagd erschienen.
    Weiber: Das war der Felsengrund, auf dem der Berg seines Lebens stand. So sehr er sich auch bemühte, Frank hatte nie ganz begreifen können, was die Natur seiner unzerstörbaren Anziehungskraft auf das schöne Geschlecht war. Was sahen sie, wenn sie ihn anschauten? Er hatte keine Ahnung, aber er wußte, er selbst war es nicht. Ob es etwas damit zu tun hatte, daß er vor einer Menschenmenge eine Frau umgebracht hatte – die arme Molly; der beste Teil seiner selbst war mit ihr gestorben – und damit in die Zeitung gekommen war? Brachte das die übrigen dazu, ihn zu umschwärmen wie die Fliegen?
    Die meisten der Frauen, die ihn im Gefängnis besucht hatten, konnten nicht genug vom Wer, Wie und Warum all der Menschenleben hören, die er beendet hatte. Irgendein krankhaftes elektrisches Kribbeln durchströmte sie dabei-
    Er sah darin beim besten Willen keinen Sinn, und auch nicht in ihnen; wie jeder Mann von Grundsätzen wollte er nichts weiter, als die Leute, die er umgebracht hatte, vergessen. Vielleicht war ihr Interesse ein weiterer Nebeneffekt all dieser Kitschromane, die im Laufe der Jahre mit seinem Bild auf dem Umschlag erschienen waren; rückblickend mußte er sagen, daß er zu wenig dagegen unternommen hatte. Verflucht, er hatte ja sogar versucht, selbst ein paar zu schreiben; die Wärter im Gefängnis hatten einen Stapel davon, die sie an Touristen zu verhökern versuchten. Buckskin Frank: Geronimos Alptraum, und Ich ritt mit Wyatt: Der unsichtbare Mann von Tombstone. Bestseller, jeder einzelne.
    Er mußte den Tatsachen ins Auge sehen: Durch eigene Schuld hatte er sein Privatleben vom Ruhm zerstören lassen, und diese Erkenntnis ließ Franks Hirn schmerzen wie ein fauler Zahn. Fünf Jahre Gefängnis hatten ihm einen Frieden gebracht, den keine Frau mit ihrem unaufhörlichen Verlangen gestört hatte, er möge sich aufführen wie irgendeine verrückte Vorstellung, die sie im Kopf hatte: gehorsam, sanft und jeder ihrer Stimmungen treu ergeben – mit anderen Worten, in hundertprozentiger Arschwärtsverdrehung seiner wahren Persönlichkeit. Diese ruhige Etappe hatte Frank zu dem Schluß gebracht, daß der Hauptgrund, weshalb eine Frau überhaupt einen Mann um sich haben wollte, darin bestand, daß sie ihn mit einem Arsenal von dummen Fragen bombardieren konnte, die ihr im Kopf herumschwirrten:
    Gefiel ihm dieses Kleid? Sah sie auch nicht zu fett darin aus? Was war mit diesem neuen Rouge? Hatte er sein Steak lieber rot oder lieber rosa? War es zu fassen, was sie im Haushaltswarenladen für die Elle Kattun verlangten? Wollte er Händchen halten und im Mondschein auf der Schaukel sitzen? Nein, lieber nicht. Er wälzte sich ganz gern mal im Heu, aber darüber hinaus begriff er nicht, wieso sie so viel von ihm erwarteten. Er wußte keine Antwort auf ihre Fragen; was ihn anging, so waren alle diese Möglichkeiten des alltäglichen Daseins gleich gewichtig, und deswegen Wirbel und Getue zu machen, als sei es eine Frage von Leben oder Tod, was man zum Frühstück aß oder welches Kleid man zum Square Dance anzog, nahm doch dem Leben all seinen Reiz. Molly war die einzige Frau, die ihn je begriffen hatte – und was war mit ihr passiert?
    Ehemänner waren Männer, die den Speck nach Hause brachten, nie vor Einbruch der Dunkelheit tranken und jeden Morgen in dem Bett aufwachten, in dem sie am Abend eingeschlafen waren. Bevor sie zum erstenmal zur Sache kamen, hatte er stets innehalten und eines dieser hungrigen Mädchen geradeheraus fragen wollen, ob er in ihren Augen wirklich aussehe wie einer, der zum Ehegatten tauge. Und wenn sie mit Ja geantwortet hätte, hätte er nach seinem Hut greifen müssen, denn das wäre eine Schlußfolgerung, zu der nur eine

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