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Im Zeichen der Sechs

Im Zeichen der Sechs

Titel: Im Zeichen der Sechs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Frost
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in einem billigen Diamanten. Frank fühlte sich gleichzeitig in die Enge getrieben und stimuliert. Die Geschichte seines Lebens.
    »Wir wissen, daß Sie noch schrecklich viel zu tun haben, aber wir haben uns doch gefragt, ob es nicht möglich sein könnte, Sie zum Essen einzuladen, solange Sie hier in der Stadt sind.«
    Frank lächelte wieder, und – wie noch jedesmal – jegliche Erinnerung an alles Unglück, das je eine Frau ihm bereitet hatte, verschwand wie Steuergeld.
    CHICAGO, ILLINOIS Ihr Name war Mary Williams; das hatte Dante Scruggs von den zwei alten Tanten in der Pension erfahren. Sie hatte ihnen erzählt, sie komme aus einer Kleinstadt im ländlichen Minnesota, wo sie als Lehrerin gearbeitet hatte, und sie hoffe, die gleiche Arbeit jetzt in Chicago zu finden. Sie hatten ihr alles geglaubt. Dante erzählte ihnen, er sei von der Schulbehörde und wolle ihre Referenzen überprüfen; sagen Sie Miß Williams lieber nicht, daß ich hier war, fügte er lächelnd hinzu. Was für ein Charmeur, dachten die alten Damen.
    Mary sei griechischer Herkunft, hatten sie entschieden; das erklärte ihre exotisch dunkle Erscheinung, ohne irgendwelche heiklen Rassenschranken zu verletzen. Die Dummchen ahnten nicht, daß sie Indianerin war.
    Sie verließ das Haus jeden Morgen pünktlich um acht Uhr. Am ersten Tag kaufte sie sich einen Stadtplan von Chicago; dann ging sie methodisch nach der Karte jeden Block in der City ab und suchte irgend etwas. Dante folgte ihr drei Tage auf diese Weise. Hielt immer genügend Abstand, kam nie zu nahe. Einmal machte sie abrupt kehrt, als habe sie etwas vergessen, und kam geradewegs auf ihn zu marschiert; er wandte ihr den Rücken zu und starrte in ein Schaufenster. Er war sicher, daß sie ihn nicht gesehen hatte, aber sie blieb in den verkehrsreichsten Straßen und kehrte immer vor Einbruch der Dunkelheit in die Pension zurück.
    Am dritten Nachmittag schien sie gefunden zu haben, was sie suchte: den sogenannten Wasserturm in der Chicago Avenue, eines der wenigen Gebäude, die den Großen Brand überstanden hatten. Spiraltürme aus Sandstein umstanden einen hellen Mittelturm – ein Märchenschloß mitten in diesem Zentrum des modernen Kommerzes.
    Über eine Stunde lang wanderte sie auf der Straße auf und ab und betrachtete den Wasserturm aus allen Perspektiven, aber sie ging nicht hinein. Was will sie bloß hier? fragte sich Dante.
    Er stellte sich diese Frage wohl an die hundertmal an jenem Tag. Schließlich blieb sie an der Straßenecke vor dem
    Turm stehen, bis der Abend dämmerte. Sprach mit niemandem ein Wort, beobachtete immer nur die Leute, wie sie kamen und gingen. Als ob sie auf jemanden wartete. Ein bißchen sonderbar, fand Dante, der sie aus einem Soda-Fountain auf der anderen Straßenseite beobachtete und dabei ein Hires Root Beer trank. Er folgte ihr zurück zur Pension, als die Laternenanzünder auf ihre Runde gingen.
    Der dunkeläugige Mann mit der Tätowierung am linken Arm, der die letzten Monate damit zugebracht hatte, Dante Scruggs zu beobachten, folgte ihm unauffällig. Er würde noch abwarten, bis Dante in seine Wohnung gegangen war und dann ins örtliche Büro zurückkehren, um seinen Bericht zu Ende zu schreiben; sein Vorgesetzter kam am nächsten Tag mit dem Zug aus New York – er hatte das Buch bei sich –, und dann würden sie Maßnahmen ergreifen in bezug auf Mr. Dante Scruggs.
     
     
    NEW YORK CITY
    Als Stadtgespräch von Manhattan kam Doyle unterdessen seinen Verpflichtungen nach und absolvierte gewissenhaft seinen Part als ›Berühmter Autor‹, aber er hatte stets das Gefühl, sein eigentliches Ich trotte immer einen Schritt hinter diesem Trubel her: der Hauch der Verschwörung, der Jack und die verschwundenen Bücher umgab, erschien sehr viel verlockender als die endlose Beantwortung der immer gleichen Fragen nach seiner toten Romangestalt auf einer Ebene des Journalismus, auf der sich auch der inzwischen beinahe mit Zärtlichkeit in Erinnerung gebrachte Ira Pinkus bewegt hatte. Aber im Gedränge der Buchhandlungen die ehrliche Begeisterung seiner Leser aus erster Hand zu spüren, das stellte ihn wieder her; gelegentlich erschien sogar eine liebe Seele, die seine historischen Romane gelesen hatte, mit einem seltenen Exemplar, das er signieren sollte.
    Seine dramatische Lesung in der Calvary-Baptistenkirche in der 57th Street an jenem Abend war ein voller Erfolg; der Raum war bis an die Dachbalken vollgestopft mit Getreuen, und Doyle hatte beschlossen,

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