Im Zeichen der Wikinger
unterrichten.«
»Du würdest innerhalb eine Woche wegen unsittlichen Betragens rausfliegen.«
Eine weitere junge Studentin, die in der anthropologischen Fakultät arbeitete, führte sie in Dr. Wednesdays Büro. Der Mann, der gerade ein Buch aus einem überladenen Regal ziehen wollte, drehte sich um und lächelte, als die drei Fremden in seine voll gestopfte, leicht muffig riechende Gelehrtenstube eindrangen. Dr. Jerry Wednesday war nicht größer als Giordino, aber viel schmächtiger. Er hatte weder ein Tweed-Sakko mit Lederflicken auf den Ellbogen an, noch rauchte er Pfeife. Stattdessen trug er ein Sweatshirt, Levi’s und Wanderstiefel. Sein schmales Gesicht war glatt rasiert, und dem schütter werdenden Haar über der Stirn nach zu schließen, war er etwa Ende vierzig. Die Augen waren dunkelgrau, und auf die ebenmäßigen weißen Zähne, die er beim Lächeln zeigte, wäre jeder Kieferorthopäde stolz gewesen.
»Einer von Ihnen muss der Mann sein, der mich angerufen hat«, sagte er.
»Ich habe angerufen«, antwortete Pitt. »Das sind Kelly Egan und Al Giordino, und ich bin Dirk Pitt.«
»Wollen Sie nicht Platz nehmen? Sie haben mich zu einer günstigen Zeit erwischt. Ich habe in den nächsten zwei Stunden keinen Unterricht.« Dann blickte er zu Kelly. »War Dr. Elmore Egan vielleicht zufällig Ihr Vater?«
»So ist es«, antwortete Kelly.
»Ich war sehr betroffen, als ich von seinem Tod hörte«, sagte Dr. Wednesday ernst. »Ich habe ihn kennen gelernt und mit ihm korrespondiert. Er forschte nach einer Wikinger-Schar, die seiner Meinung nach im … im Jahr 1035 war es, glaube ich, durch diese Gegend zog.«
»Ja, Papa hat sich sehr für die Runensteine interessiert, die sie hinterließen.«
»Wir kommen gerade von Marlys Kaiser in Minnesota«, sagte Pitt. »Sie war es, die vorgeschlagen hat, dass wir uns an Sie wenden sollten.«
»Eine großartige Frau.« Wednesday setzte sich hinter einen mit allerlei Büchern und Papieren übersäten Schreibtisch. »Ich nehme an, Marlys hat auch erwähnt, dass Dr. Egan der Meinung war, die Wikinger, die in dieser Gegend siedelten, wären von den Indianern im Tal des Hudson massakriert worden.«
Kelly nickte. »Sie ließ es anklingen.«
Wednesday kramte in einer offenen Schreibtischschublade herum und holte einen Stapel zerknitterter Papiere heraus.
»Über die Indianer, die einstmals entlang des Hudson lebten, ist nur wenig bekannt. Die ersten Aufzeichnungen, in denen die hier ansässigen Eingeborenen beschrieben wurden, stammen von Giovanni da Verrazano und wurden 1524 verfasst. Im Laufe seiner ausgedehnten Reise, die ihn die ganze Ostküste entlangführte, lief er in eine Bucht ein, in der sich heute New York befindet, ging dort vor Anker und erkundete zwei Wochen lang das Inland, ehe er nach Neufundland weiterfuhr und von dort aus nach Frankreich zurückkehrte.«
Wednesday hielt inne und zog seine Notizen zu Rate. »Nach Verrazanos Beschreibung hatten die amerikanischen Ureinwohner scharf geschnittene Gesichter, lange schwarze Haare und schwarze Augen. Sie kleideten sich in Fuchsfelle und Hirschhäute und trugen kupferne Schmuckgegenstände. Er merkte an, dass sie Kanus aus ausgehöhlten und zurechtgehauenen Bäumen fuhren und in Rund- oder Langhäusern wohnten, die sie aus halbierten Stämmen bauten und mit langen Gräsern und Zweigen deckten. Von diesem frühesten Bericht aus Verrazanos Feder einmal abgesehen, haben die alten Indianer wenig hinterlassen, das die Archäologen entdecken, untersuchen und auswerten könnten. Im Großen und Ganzen können wir nur mutmaßen, wie diese Ureinwohner gelebt haben.«
»Die Geschichte der amerikanischen Indianer beginnt also mit dem Jahr 1524«, sagte Giordino.
»Was die Aufzeichnungen angeht, ja. Der nächste große Seefahrer, der einen Bericht hinterließ, war Henry Hudson. Das war im Jahr 1609. Er lief in den Naturhafen ein und fuhr den Fluss hinauf, der nach ihm benannt wurde. Erstaunlicherweise kam er bis nach Cohoes, das etwa zehn Meilen oberhalb von Albany liegt, wo er von Wasserfällen aufgehalten wurde.
Seiner Beschreibung nach waren die Indianer am Unterlauf des Flusses kräftig und kriegerisch, während die weiter oben lebenden freundlich und höflich waren.«
»Was für Waffen hatten sie?«
»Bogen und Pfeile mit scharfen Steinspitzen, die mit Pech am Schaft befestigt wurden. Außerdem schnitzten sie Keulen und stellten Beile her, die mit großen Feuersteinklingen besetzt waren.«
»Wovon haben sie sich
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