Im Zeichen des Drachen: Thriller (German Edition)
Lebensunterhalt?«, fragte der Börsenmakler ungläubig.
»Ich versuche es. Die Gespräche laufen übrigens relativ gut«, bemerkte der Staatssekretär.
»Wie bitte?« Gant fiel aus allen Wolken.
»Da kein Geringerer als der Außenminister die Verhandlungen führt, heißt das, wir spielen gegen ihre erste Mannschaft«, erklärte Rutledge. »Und wenn wir uns auf etwas einigen, steht die Sache auch. Diesmal wird es nicht zum ständigen Hin und Her zwischen den verhandlungsführenden Chinesen und dem Politbüro kommen, was unausweichlich der Fall ist, wenn man mit rangniedrigeren Regierungsvertretern verhandelt. Das hat oft zur Folge, dass am Ende überhaupt nichts bei der Sache herauskommt. Ganz wird sich das natürlich auch hier nicht umgehen lassen. Shen wird sie jeden Abend über den Stand der Dinge auf dem Laufenden halten müssen, vielleicht tut er das sogar jetzt gerade – er ist nirgendwo zu sehen. Ich würde gern wissen, wem genau er unterstellt ist. Wir glauben nicht, dass er wirklich über Generalvollmachten verfügt. Eher würde ich sagen, die anderen Big Boys sehen ihm sehr genau auf die Finger. Wie das auch bei den Russen der Fall war. Das ist das Problem mit ihrem System. Niemand traut niemandem.«
»Ist das Ihr Ernst?«, fragte TELESCOPE.
»Natürlich, so funktioniert ihr System.«
»Das ist doch kompletter Wahnsinn.«
»Warum, glauben Sie, ist die Sowjetunion baden gegangen?«, fragte Rutledge amüsiert. »Sie haben, egal auf welcher Ebene, nie etwas richtig auf die Reihe gekriegt, weil sie grundsätzlich nie wussten, wie sie ihre Macht richtig ausüben sollten. Eigentlich schade. Aber inzwischen stellen sie es wesentlich geschickter an.«
»Aber wieso laufen die Verhandlungen gut?«
»Wenn alles, was sie uns entgegenzuhalten haben, Taiwan ist, können ihre Gegenargumente, wenn es dann tatsächlich um Handelsfragen geht, nicht sonderlich viel Gewicht haben. Die Sache mit Taiwan ist längst unter Dach und Fach, das wissen sie ganz genau. Möglicherweise haben wir in zehn oder elf Monaten bereits ein gegenseitiges Verteidigungsabkommen, und auch das wissen sie wahrscheinlich. Sie haben gute Geheimdienstquellen in Taipei.«
»Woher wissen wir das?«, fragte Gant.
»Weil unsere Freunde in Taipei dafür sorgen. Man will doch, dass die Gegner viel über einen wissen. Auf diese Weise versteht man sich wesentlich besser und erspart sich viele Fehler und sonstige Unannehmlichkeiten.« Rutledge hielt inne. »Was es wohl zum Mittagessen gibt?«
Meine Herren, dachte Gant. Dann dankte er Gott, dass er nur hier war, um diesem Diplomaten in Wirtschaftsfragen Rückendeckung zu geben. Dieses Spiel war so anders als alles, was er bisher kennen gelernt hatte, dass er sich vorkam wie ein Fernfahrer, der sich in einer Telefonzelle am Highway mit einem Laptop im Day-Trading versucht.
Zum Mittagessen tauchten auch die Journalisten auf, um sich weitere Atmos von Diplomaten zu beschaffen, die sich in aller Freundlichkeit über Dinge wie das Wetter und das Essen unterhielten – die Zuschauer würden denken, dass wichtige Staatsangelegenheiten verhandelt wurden, während sich mindestens die Hälfte der Gespräche bei solchen Anlässen in Wirklichkeit um Probleme bei der Kindererziehung oder die Unkrautvernichtung im häuslichen Garten drehten. Im Grunde genommen war das Ganze offensichtlich eine Art Ablenkungsmanöver, für das es in anderen Betätigungsfeldern so gut wie keine Parallelen gab. Gant beobachtete, wie Barry Wise sich ohne ein Mikrophon oder eine Kamera Rutledge näherte.
»Und, wie läuft’s, Herr Staatssekretär?«, fragte der Journalist.
»Ganz gut. Wir hatten sogar eine recht passable Eröffnungssitzung«, antwortete Rutledge in Gants Hörweite. Es war ein Jammer, fand TELESCOPE, dass die Leute nicht mitbekamen, was tatsächlich geschah. Sie hätten sich kaum etwas Aberwitzigeres vorstellen können. Doch jedes menschliche Betätigungsfeld hatte seine eigenen Regeln, und diese hier waren eben anders.
»Da ist unser Freund«, bemerkte der Polizist, als der Wagen losfuhr. Es war Suworow/Koniew in seinem C-Klasse Mercedes. Die Autonummer passte genauso wie das Gesicht im Okular des Fernglases.
Prowalow hatte neben einem Kontingent der lokalen Miliz sogar noch Hilfe von Seiten des Föderalen Sicherheitsdienstes FSB, dem ehemaligen Zweiten Hauptdirektorat des KGB, den professionellen Spionejägern also, die den ausländischen Geheimdiensten in Moskau das Leben schwer gemacht hatten. Sie
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