Im Zeichen des Drachen: Thriller (German Edition)
größer, mit den Augen eines Pokerspielers und einem gewissen schauspielerischen Talent. Intelligenter, als er auf den ersten Eindruck erschien, rief sich der Amerikaner in Erinnerung. Wie sollte er sich also verhalten? Im Zweifelsfall, beschloss Gant, war es immer das Beste, bei der Wahrheit Zuflucht zu suchen.
»Es ist das erste Mal, dass ich an diplomatischen Verhandlungen teilnehme«, antwortete Gant und nahm einen Schluck von seinem (fürchterlichen) Kaffee. »Ich finde es unglaublich langweilig.«
»Also, das ist ganz normal«, tröstete ihn Xue.
»Tatsächlich? In der Wirtschaft ist das nicht so. Wie bekommen Sie auf diese Weise überhaupt etwas geregelt?«
»Jedes Vorhaben erfordert seine Zeit.«
»Mag sein. Würden Sie mir bitte etwas erklären?«, fragte Gant.
»Ich kann es versuchen.«
»Weshalb machen Sie um Taiwan so ein Theater?«
»Warum haben Sie so ein Theater gemacht, als Ihr Bürgerkrieg begann?«, antwortete Xue mit einer klugen Gegenfrage.
»Na schön, okay, aber warum können Sie die Sache nach fünfzig Jahren nicht einfach auf sich beruhen lassen und ganz von vorn anfangen?«
»Wir rechnen nicht in so kurzen Zeitspannen«, erwiderte Xue mit einem überlegenen Lächeln.
»Okay, aber in Amerika nennen wir das ›In der Vergangenheit leben‹.« Was sagst du jetzt, Schlitzauge!
»Sie sind unsere Landsleute.« Xue ließ nicht locker.
»Aber sie haben sich dagegen entschieden. Wenn Sie sie zurückhaben wollen, dann machen Sie es ihnen schmackhaft! Sie wissen schon, indem Sie hier denselben Wohlstand schaffen, den sie dort drüben geschaffen haben.« Du rückständiger Kommunist.
»Wenn eines Ihrer Kinder von zu Hause wegliefe, würden Sie sich dann nicht auch um seine Rückkehr bemühen?«
»Wahrscheinlich schon, aber ich würde es locken, nicht ihm drohen, vor allem dann nicht, wenn ich nicht in der Lage wäre, ihm wirksam zu drohen.« Und euer Militär taugt nichts. Das hatte man ihnen in den Briefings mitgeteilt, bevor sie hierher geflogen waren.
»Aber wenn nun andere unser Kind dazu ermutigen, seinen Eltern zu trotzen, sollen wir uns das etwa einfach gefallen lassen?«
»Schauen Sie«, entgegnete Gant, ohne sich seine Aufgebrachtheit anmerken zu lassen – glaubte er zumindest. »Wenn Sie Geschäfte machen wollen, dann machen Sie Geschäfte. Wenn Sie plaudern wollen, können wir auch plaudern. Aber Zeit ist kostbar, und das gilt auch für die Zeit Ihres Landes. Wir können uns also das Gerede für ein andermal aufsparen.« Und dann stellte Gant fest, dass er wahrhaftig kein Diplomat war und dies kein Spiel, das er gewinnen konnte. »Wie Sie sehen, liegt mir diese Art von Austausch nicht. Wir haben Leute, die so etwas können, aber ich gehöre nicht zu ihnen. Ich bin einer von der Sorte von Amerikanern, die richtige Arbeit tun und richtiges Geld verdienen. Wenn Ihnen dieses Spiel Spaß macht, herzlich gern, aber mein Spiel ist es nicht. Geduld ist eine gute Sache, aber nicht, wenn sie dem Ziel im Weg steht, und ich glaube, Ihr Minister versteht etwas ganz Grundlegendes nicht.«
»Und das wäre, Mr. Gant?«
»Dass wir diejenigen sind, die bekommen werden, was wir uns von diesem Treffen erwarten«, blaffte Gant den kleinen Chinesen an und hätte sich im selben Moment am liebsten die Zunge abgebissen. Er trank seinen Kaffee aus, entschuldigte sich und ging unnötigerweise auf die Toilette, wo er sich die Hände wusch, bevor er nach draußen zurückkehrte. Er stellte fest, dass Rutledge für sich allein stand und ein paar Frühlingsblumen betrachtete.
»Cliff, ich glaube, ich habe Mist gebaut«, gestand ihm Gant ruhig.
»Inwiefern?«, fragte der Staatssekretär und hörte sich das Geständnis an. »Machen Sie sich deswegen keine Gedanken. Sie haben nichts gesagt, was ich ihnen nicht schon erzählt hätte. Sie verstehen nur die Sprache nicht.«
»Aber die werden denken, dass wir ungeduldig sind, und das schwächt unsere Position, oder nicht?«
»Nicht, wenn ich das Wort führe«, erwiderte Rutledge mit einem milden Lächeln. »Hier bin ich Jimmy Connors bei den U.S. Open, Mark. Mit so etwas kenne ich mich aus.«
»Das denkt die andere Seite auch.«
»Richtig, aber wir sind im Vorteil. Sie brauchen uns mehr als wir sie.«
»Ich dachte, Sie fänden es nicht gut, so mit jemandem zu verhandeln«, bemerkte Gant, verwundert über Rutledges Einstellung.
»Ich muss es nicht gut finden. Ich muss es nur tun. Und gewinnen macht immer Spaß.« Er fügte nicht hinzu, dass er Minister
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