Im Zeichen des Drachen: Thriller (German Edition)
Shen noch nie zuvor begegnet war und deshalb nicht durch irgendwelchen persönlichen Ballast behindert wurde, wie das häufig bei Diplomaten der Fall war, die persönliche Freundschaften über die Interessen ihrer Länder stellten. Normalerweise rechtfertigten sie das, indem sie sich einredeten, nächstes Mal wäre dieser Dreckskerl ihnen einen Gefallen schuldig, der den Interessen ihres Landes dienen würde. Diplomatie war immer schon ein sehr persönliches Geschäft gewesen, ein Umstand, der Außenstehenden, die diese Wortdrechsler für Roboter hielten, oft verborgen blieb.
Gant fand das alles zwar sehr verwirrend, aber er würde Rutledges Spiel mitspielen, weil er musste und weil der Kerl zumindest so tat, als wüsste er ganz genau, was er tat. Ob das nun stimmte oder nicht … Gant fragte sich, wie er das feststellen sollte. Dann wurde es Zeit, wieder hineinzugehen.
Die Aschenbecher waren gesäubert und die Wasserflaschen aufgefüllt. Die dafür zuständigen Bediensteten waren vermutlich ausnahmslos politisch zuverlässige Funktionäre der einen oder anderen Art oder, noch wahrscheinlicher, richtige Geheimagenten, die hier waren, weil ihre Regierung bei nichts ein Risiko einging oder dies zumindest versuchte. In Wirklichkeit war es eine Vergeudung von aufwendig ausgebildetem Personal, aber Kommunisten hatte noch nie viel an einer effizienten Nutzung der Arbeitskraft gelegen.
Minister Shen zündete sich eine Zigarette an und bedeutete Rutledge, den Anfang zu machen. Dem Amerikaner fiel ein, dass Bismarck bei Verhandlungen zum gezielten Einsatz einer Zigarre geraten hatte, weil manche den penetranten Rauch als störend empfanden, was dem Raucher einen Vorteil verschaffte.
»Herr Minister, die Handelspolitik der Volksrepublik wird von einer kleinen Zahl von Leuten bestimmt, und zwar aus politischen Gründen. Wir in Amerika verstehen das. Was Sie jedoch nicht verstehen, ist, dass unsere Regierung wirklich eine Volksvertretung ist, und unser Volk verlangt, dass wir das Handelsungleichgewicht zur Sprache bringen. Die mangelnde Bereitschaft der Volksrepublik, den amerikanischen Waren Märkte zu öffnen, kostet amerikanische Bürger ihre Jobs. Nun ist es in unserem Land Aufgabe der Regierung, den Menschen zu dienen , nicht sie zu beherrschen, und aus diesem Grund müssen wir Sie mit allem Nachdruck auf dieses Handelsungleichgewicht hinweisen.«
»Ich stimme vollständig mit Ihnen überein, dass es Aufgabe der Regierung ist, den Interessen des Volkes zu dienen, und aus diesem Grund müssen wir auch das Unbehagen berücksichtigen, das die Taiwan-Frage den Bürgern meines Landes bereitet. Menschen, die unsere Landsleute sein sollten, wurden von uns getrennt, und die Vereinigten Staaten haben diese Entfremdung unserer Brüder und Schwestern unterstützt…« Das Erstaunliche war, dachte Rutledge, dass dieser salbadernde alte Knacker noch nicht an diesen unsäglichen Stinkstengeln gestorben war, die er rauchte. Sie sahen aus und rochen wie die Lucky Strikes, an denen sein Großvater im Alter von achtzig Jahren verschied. Kein Tod, der einem Arzt Freude gemacht hätte. Großvater Owens hatte seinen Urenkel zur South Station in Boston gefahren, als ihm die Zigarette, die er sich gerade angesteckt hatte, in den Schoß fiel, und er bei dem Versuch, sie von dort zu entfernen, auf die Gegenfahrbahn gekommen war. Großvater hatte natürlich nichts von Sicherheitsgurten gehalten. Er hatte im wahrsten Sinn des Wortes Kette geraucht, sich wie Bogie in einem Film aus den 30er Jahren die neue am Stummel der letzten angezündet. Na ja, vielleicht war das die Art der Chinesen, das Bevölkerungswachstum in den Griff zu bekommen … allerdings auf eine ziemlich fiese Art.
»Herr Außenminister«, begann Rutledge, als er an der Reihe war, »die Regierung der Republik China wurde in freien und ordnungsgemäßen Wahlen von den Menschen gewählt, die in diesem Land leben. In den Augen der Amerikaner legitimiert dies die Regierung der Republik China« – er sagte nicht, dass die Regierung der Volksrepublik deshalb nicht legitimiert war, aber der Gedanke hing wie eine dunkle Wolke in der Luft – »und das macht die fragliche Regierung einer internationalen Anerkennung würdig, die, wie Sie vielleicht bemerkt haben, im vergangenen Jahr erfolgt ist.
Es ist die Politik unserer Regierung, solche Regierungen anzuerkennen. Wir werden diese auf festen Prinzipien basierende Politik nicht ändern, nur um Ländern entgegenzukommen, die diese
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