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Im Zeichen des Drachen: Thriller (German Edition)

Im Zeichen des Drachen: Thriller (German Edition)

Titel: Im Zeichen des Drachen: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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die Schwester auf zu verschwinden. Darauf ging Yang in seiner Auflehnung gegen die Obrigkeit sogar noch einen Schritt weiter und langte über den Schreibtisch, um die Schwester zu packen. Man konnte es an ihren Augen sehen. Es traf sie auf einer sehr elementaren Ebene, dass jemand so ungeniert gegen ihre vom Staat verliehene Autorität verstoßen konnte. Sie versuchte zurückzuweichen, aber er hielt sie unnachsichtig fest und zum ersten Mal sah sie, dass aus seinem Blick keine Angst mehr sprach. Inzwischen starrte ihr daraus pure Mordlust entgegen, denn Yangs ureigenste menschliche Regungen hatten endgültig jede gesellschaftliche Konditionierung, die er in den 36 Jahren seines Lebens erfahren hatte, beiseite gefegt. Seine Frau und sein Kind waren in Gefahr und um ihretwillen hätte er es in diesem Augenblick, ungeachtet aller Konsequenzen, sogar mit einem feuerspeienden Drachen aufgenommen. Die Schwester zog sich auf dem einfachsten Weg aus der Affäre und deutete nach links. Yang stürmte in die angegebene Richtung, Yu und die anderen zwei Geistlichen folgten ihm und die CNN-Crew bildete die Nachhut. Die Schwester betastete ihren Hals und rang hustend nach Atem. Immer noch zu verblüfft, um Angst zu empfinden, versuchte sie zu begreifen, wie und warum man sich ihren Anordnungen widersetzt hatte.
    Yang Lien-Hua war in Wehenzimmer Nr. 3. Die Wände waren aus gelb glasierten Ziegeln, die Bodenfliesen von einer Farbe, von der nach jahrelanger Abnutzung nur noch ein bräunliches Grau übrig war.
     
    Für ›Lotusblume‹ war es ein nicht enden wollender Albtraum gewesen. Ganz allein in einer Situation, in der es um Leben und Tod ging, spürte sie, wie die stärker werdenden Kontraktionen in eine fortwährende Anspannung ihrer Bauchmuskeln übergingen, die ihr ungeborenes Kind durch den Geburtskanal einer Welt entgegenpressten, die nichts von ihm wissen wollte. Das hatte sie auch in den Mienen der Schwestern gesehen. Es waren Trauer und Resignation, die aus ihnen sprachen, und das viele Leid, das sie in anderen Stationen des Krankenhauses gesehen haben mussten, wenn der Tod einen Patienten dahinraffte. Sie alle hatten gelernt, es als unausweichlich zu akzeptieren, aber sie wichen davor zurück, weil das, was getan werden musste, allen menschlichen Regungen so krass widersprach, dass die einzige Möglichkeit, hier zu sein und es geschehen zu sehen, war, woanders zu sein. Aber nicht einmal das funktionierte, und selbst wenn sie es sich nicht einmal untereinander einzugestehen wagten, würden sie nach der Arbeit nach Hause gehen und nachts in ihren Betten bittere Tränen vergießen, dass sie als Frauen Neugeborenen so etwas antun mussten. Einige würden die toten Kinder in den Armen wiegen, diese Kinder, die nie dazu gekommen waren, den ersten lebensbejahenden Atemzug zu tun, und sie würden versuchen, einem Wesen weibliche Güte zu zeigen, dem nie etwas dergleichen zuteil würde, außer vielleicht von den Geistern der anderen ermordeten Babies, die immer noch zugegen waren. Andere schlugen den umgekehrten Weg ein und warfen sie wie den Abfall, als den der Staat sie bezeichnete, in einen Eimer. Aber Witze machten auch sie nicht darüber – im Gegenteil, sie sprachen nicht einmal darüber, außer vielleicht eine kurze Bemerkung fallen zu lassen, dass es wieder mal passiert war, oder: »In Nummer vier ist eine Frau, die die Spritze braucht.«
    Lien-Hua spürte die Gefühle der Schwestern, und schlimmer noch, sie wusste, was sie dachten, und deshalb flehte sie Gott aus tiefster Seele um Gnade an. War es denn falsch, Mutter zu werden, selbst wenn sie eine christliche Kirche besuchte? War es so verkehrt, ein zweites Kind zu bekommen, um das erste zu ersetzen, das ihr das Schicksal aus den Armen gerissen hatte? Warum versagte ihr der Staat die Freuden der Mutterschaft? Gab es keinen Ausweg? Sie hatte ihr erstes Kind nicht, wie das viele chinesische Familien taten, getötet. Sie hatte den kleinen Großen Drachen mit seinen blitzenden schwarzen Augen und dem lustigen Lachen und den grabschenden kleinen Händen nicht ermordet. Eine andere Gewalt hatte ihr ihren Sohn genommen und sie wollte , sie brauchte einen anderen. Nur einen anderen. Sie war nicht maßlos. Sie wollte nicht zwei Kinder aufziehen. Nur eines. Nur eines, das an ihrer Brust trank und sie am Morgen anlächelte. Das brauchte sie. Sie arbeitete hart für den Staat, verlangte wenig dafür, aber das forderte sie! Es war ihr Recht als Mensch, oder etwa nicht?
    Aber

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