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Im Zeichen des Drachen: Thriller (German Edition)

Im Zeichen des Drachen: Thriller (German Edition)

Titel: Im Zeichen des Drachen: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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jetzt spürte sie nur nackte Verzweiflung. Sie versuchte gegen die Wehen anzukämpfen, die Entbindung zu verhindern, aber ebensogut hätte sie versuchen können, die Flut mit einer Schaufel aufzuhalten. Ihr Kleines kam heraus. Sie konnte es spüren. Sie konnte es im Gesicht der Hebamme sehen. Gerade als sie gegen den Drang ankämpfte, zu drücken und den Geburtsvorgang zu Ende zu bringen und ihr Kind somit dem Tod auszuliefern, streckte die Frau mit einem Blick auf die Uhr den Kopf auf den Flur hinaus und winkte. Lien-Hua kämpfte verzweifelt, sie kontrollierte ihren Atem, rang mit ihren Muskeln, keuchte, statt tief durchzuatmen, kämpfte und kämpfte und kämpfte, aber es half alles nichts. Das war ihr inzwischen klar geworden. Ihr Mann war nirgendwo zu sehen. Er war zwar Manns genug gewesen, sie hierher zu bringen, aber nicht genug, um sie und sein eigenes Kind vor dem zu bewahren, was jetzt geschah. Mit der Verzweiflung kam die Entspannung. Es war so weit. Sie kannte dieses Gefühl vom ersten Mal. Sie konnte nicht mehr kämpfen. Es war Zeit loszulassen.
    Der Arzt sah die Hebamme winken. Sie hatten bewusst einen Mann damit beauftragt. Weil es Männern leichter fiel, mussten sie die meisten ›Spritzen‹ im Krankenhaus verabreichten. Er nahm die Spritze und ging damit zum Medikamentenschrank, schloss ihn auf und nahm die große Flasche mit Formaldehyd heraus. Er zog die Spritze auf, ohne sich die Mühe zu machen, die Luftblasen herauszuklopfen. Zweck der Injektion war es schließlich zu töten, deshalb war jede Sorgfalt überflüssig. Dann ging er den Gang hinunter zu Zimmer Nr. 3. Er hatte an diesem Tag schon neun Stunden Dienst hinter sich. Vor wenigen Stunden hatte er einen schwierigen, aber erfolgreichen Kaiserschnitt durchgeführt und nun musste er seinen Arbeitstag mit so etwas beenden. Er fand das nicht gut. Aber er tat es, weil es sein Job war, Teil der staatlichen Maßnahmen zur Einschränkung des Bevölkerungswachstums. Wie hatte diese Frau nur so dumm sein können, ohne Erlaubnis ein Baby zu bekommen? Es war wirklich ihre Schuld, oder etwa nicht? Sie kannte doch die Bestimmungen. Alle kannten sie. Es war unmöglich, sie nicht zu kennen. Aber sie hatte gegen diese Bestimmungen verstoßen. Trotzdem würde sie nicht dafür bestraft. Nicht sie selbst. Sie würde weder ins Gefängnis kommen, noch ihre Arbeit verlieren, noch eine Geldstrafe zahlen müssen. Sie würde lediglich mit ihrem Uterus so wieder nach Hause gehen müssen, wie er vor neun Monaten gewesen war – leer. Sie wäre etwas älter und etwas weiser und wüsste jetzt, dass es, wenn so etwas noch einmal passierte, wesentlich besser wäre, im zweiten oder dritten Monat eine Abtreibung vornehmen zu lassen, bevor man eine Beziehung zu diesem kleinen Wurm aufbaute. Auf jeden Fall war das wesentlich einfacher, als die ganzen Wehen für nichts und wieder nichts durchmachen zu müssen. Das war traurig, aber im Leben war viel traurig, und was diesen speziellen Fall anging, hatten es alle so gewollt. Der Arzt hatte sich dafür entschieden, Arzt zu werden, und die Frau in Nr. 3 hatte sich dafür entschieden, schwanger zu werden.
    Er trug seine Maske, als er Nr. 3 betrat, denn er wollte die Frau mit nichts anstecken. Aus diesem Grund verwendete er auch für den Fall, dass er abglitt und versehentlich sie stach, eine saubere Spritze.
    So.
    Er setzte sich auf den Hocker, den Geburtshelfer sonst für Entbindungen und für Abtreibungen im Spätstadium benutzten. Das Verfahren, nach dem sie in Amerika vorgingen, war etwas weniger brutal. Man punktierte einfach den Schädel des Babys, saugte das Gehirn heraus, quetschte den Schädel zusammen und konnte es dann mit erheblich weniger Mühe herausholen, als das bei einem voll entwickelten Fetus der Fall war. Und für die Frau war es auch erheblich leichter. Er fragte sich, welche Hintergründe das Ganze bei dieser gehabt hatte, aber letztlich brachte es nichts, das zu wissen? Es hatte keinen Sinn, etwas zu wissen, was man nicht ändern konnte.
    So.
    Er schaute. Sie war vollständig geweitet und erschöpft und, ja, da war schon der Kopf. Behaartes kleines Etwas. Besser, er ließ ihr noch ein, zwei Minuten Zeit, damit sie den Fetus in einem Schwung herauspressen konnte, wenn er seine Pflicht getan hatte. Dann konnte sie nach Hause gehen und eine Weile weinen und zusehen, dass sie darüber hinwegkam. Er war schon so auf seine Aufgabe konzentriert, dass er von dem Tumult draußen auf dem Gang zunächst gar nichts

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