Im Zeichen des Drachen: Thriller (German Edition)
Schlitzauge! Er jedenfalls hatte seinen Job getan und den Bericht hinausgeschafft. Alles weitere lag in den Händen der Welt.
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DER SCHUTZ DER MENSCHENRECHTE
CNN überträgt seine Nachrichten rund um die Uhr an Satellitenschüsseln in aller Welt, und deshalb wurde der Bericht aus den Straßen Pekings nicht nur von den amerikanischen Geheimdiensten zur Kenntnis genommen, sondern auch von Buchhaltern, Hausfrauen oder Nachteulen. Von letzteren hatte eine große Anzahl Zugang zu einem PC, und wie sich das für Nachteulen gehörte, kannten viele von ihnen auch die E-Mail-Adresse des Weißen Hauses. E-Mails hatten fast über Nacht Telegramme als bevorzugtes eiliges Kommunikationsmittel abgelöst, um der amerikanischen Regierung die Meinung zu sagen. Außerdem war es ein Medium, das offenbar zur Kenntnis genommen wurde – oder zumindest gelesen, gezählt und katalogisiert. Letzteres geschah in einem Büro im Souterrain des OEOB oder Old Executive Office Building, der viktorianischen Monstrosität, die sich unmittelbar westlich an das Weiße Haus anschloss. Die Leute, die dieses Büro leiteten, unterstanden direkt Arnold van Damm und es handelte sich dabei um eine wirksame und hervorragend organisierte Einrichtung zur Erfassung der öffentlichen Meinung Amerikas, da sie auch elektronischen Zugang zu allen Meinungsumfrageinstituten nicht nur des Landes, sondern der ganzen Welt hatte. Nicht seine eigenen Meinungsumfragen durchführen lassen zu müssen, half dem Weißen Haus, viel Geld zu sparen, was auch insofern von Vorteil war, als dieses Weiße Haus, ein wenig zum Leidwesen des Stabschefs, kein richtiges eigenes politisches Büro hatte. Dennoch leitete er diesen Teil der Operationen im Weißen Haus selbst, und das im Wesentlichen ohne Bezahlung. Van Damm machte das nichts aus. Für ihn war Politik etwas so Selbstverständliches wie Atmen, und er hatte schon vor langem beschlossen, diesem Präsidenten zu dienen, vor allem, weil ihm zu dienen oft hieß, ihn vor sich selbst und seiner häufig geradezu atemberaubenden politischen Unfähigkeit zu schützen.
Um jedoch die Daten zu verstehen, die von kurz nach Mitternacht an eingingen, bedurfte es keines politischen Genies. Nicht wenige der E-Mails waren mit richtigen Namen gezeichnet – nicht bloß mit elektronischen ›Adressen‹ – und eine Menge von ihnen FORDERTEN!!! Maßnahmen. Van Damm sollte zu einem späteren Zeitpunkt die Bemerkung fallen lassen, er habe gar nicht gewusst, dass so viele Baptisten mit dem Computer umzugehen verstanden – ein Vorurteil, für das er sich sofort selbst aufs Heftigste rügte.
Im selben Gebäude schnitt das Kommunikationsbüro des Weißen Hauses, wie es sich gehörte, ein High-Quality-Band des Berichts, das unverzüglich ins Oval Office weitergeleitet wurde. Im Rest der Welt kam der CNN-Bericht aus Peking zur Frühstückszeit auf die Bildschirme und veranlasste mehr als nur ein paar Leute, ihre Kaffee- oder Teetassen sofort abzustellen und einen wütenden Ausruf zu tätigen. Das wiederum zog kurze Meldungen von amerikanischen Botschaften auf der ganzen Welt nach sich. Sie informierten das Außenministerium, zahlreiche Regierungen hätten mit heftiger Kritik auf die von CNN gemeldeten Ereignisse reagiert, und vor mehreren Botschaften der Volksrepublik China sei es zu teils wütenden Demonstrationen gekommen. Diese Mitteilungen fanden rasch ihren Weg zum Diplomatic Protection Service, der Abteilung des Außenministeriums, die für den Schutz ausländischer Diplomaten und deren Botschaften zuständig war. Von dort gingen Anrufe an die Polizei von Washington D. C., die die uniformierte Präsenz im Umkreis der verschiedenen diplomatischen Missionen der Volksrepublik in der Bundeshauptstadt erhöhen und rasche Schutzmaßnahmen vorbereiten sollte, falls es hier in Washington zu ähnlichen Ausschreitungen kam.
Bis Ben Goodley aufgewacht war und zum morgendlichen Briefing nach Langley fuhr, hatten die amerikanischen Geheimdienste das Problem recht gut diagnostiziert. Wie es Ryan so schön ausgedrückt hatte, war die Volksrepublik diesmal eindeutig zu weit gegangen und würde die Konsequenzen schon bald zu spüren bekommen. Es stellte sich bald heraus, dass dies noch sehr behutsam ausgedrückt war.
Die gute Nachricht für Goodley, wenn man sie denn als eine solche bezeichnen wollte, war, dass Ryan den Fernseher in seinem Frühstückszimmer ausnahmslos auf CNN gestellt hatte und deshalb schon vollständig über die neue Krise im Bild
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