Im Zeichen des Drachen: Thriller (German Edition)
war, bevor er sein gestärktes weißes Hemd und die gestreifte Krawatte anzog. Seine Wut über die unbegreifliche Borniertheit dieser Leute am anderen Ende der Welt flaute nicht einmal dann vorübergehend ab, als er seine Frau und die Kinder beim Verlassen des Weißen Hauses zum Abschied küsste.
»Ist das noch zu fassen, Ben!«, knurrte Ryan, als Goodley ins Oval Office kam.
»Aber ich war es doch nicht!«, entgegnete der nationale Sicherheitsberater, überrascht von dem Gefühlsausbruch des Präsidenten.
»Was genau wissen wir?«
»Im Wesentlichen haben Sie alles gesehen. Die Witwe des armen Teufels, den sie vor kurzem in Peking erschossen haben, kam in der Hoffnung nach Peking, seine Leiche nach Taiwan überführen zu können. Sie musste jedoch feststellen, dass die Leiche eingeäschert und die Asche entsorgt worden war. Die örtliche Polizei wollte sie nicht in ihr Haus lassen, und als ein paar Mitglieder der Baptistengemeinde kamen, um eine Trauerfeier abzuhalten, löste die Polizei die Versammlung auf.« Er brauchte nicht zu sagen, dass der Angriff auf die Witwe vom CNN-Kameramann so gekonnt aufgenommen worden war, dass Cathy Ryan sich zu der Bemerkung veranlasst gesehen hatte, die Nase der Frau sei auf jeden Fall gebrochen, wenn nicht sogar Schlimmeres, und es sei ein guter Kieferchirurg nötig, um ihr Gesicht wieder hinzubekommen. Dann hatte sie ihren Mann gefragt, wie die Polizei jemand bislang Unbekannten derart hassen konnte.
»Wahrscheinlich, weil sie an Gott glaubt«, hatte Ryan im Frühstückszimmer geantwortet.
»Ich habe es auch gesehen«, sagte van Damm, der gerade das Oval Office betrat. »Und es gibt bereits jede Menge Reaktionen aus der Öffentlichkeit.«
»Diese Barbaren«, schimpfte Ryan, als Robby Jackson erschien, um die morgendliche Briefing-Runde zu vervollständigen.
»Das kannst du laut sagen, Jack«, bestätigte der Vizepräsident. »Pap wird das sicher auch sehen und er hält heute diesen Gedenkgottesdienst in Gerry Pattersons Kirche ab. Das kann was geben, Jack.«
»Und CNN wird auch da sein?«
»Allerdings.«
Ryan wandte sich seinem Stabschef zu. »Okay, Arnie, ich höre.«
»Nein, ich bin derjenige, der jetzt zuhört, Jack«, erwiderte van Damm. »Was denken Sie?«
»Ich denke, ich muss mich deswegen an die Öffentlichkeit wenden. In einer Pressekonferenz vielleicht. Ich werde damit beginnen, dass wir es hier mit einer massiven Verletzung der Menschenrechte zu tun haben, und dazu auch noch mit der Unverschämtheit, dies vor den Augen der ganzen Welt zu tun. Ich werde sagen, Amerika habe massive Schwierigkeiten, mit Leuten Geschäfte zu machen, die sich derart verhalten, und selbst noch so gute wirtschaftliche Beziehungen gestatten es uns nicht, solche groben Verstöße gegen die wichtigsten Prinzipien, auf denen unser Land gegründet ist, außer Acht zu lassen. Oder gar zu rechtfertigen – weswegen wir unser Verhältnis zur Volksrepublik China noch einmal grundsätzlich überdenken müssen.«
»Nicht übel«, bemerkte der Stabschef des Weißen Hauses mit einem Lächeln, mit dem ein Lehrer einen intelligenten Schüler bedacht hätte. »Sprechen Sie mit Scott noch über andere Optionen und Ideen.«
»Ja.« Ryan nickte. »Okay, andere Frage: Wie wird das Land darauf reagieren?«
»Die spontane Reaktion wird Bestürzung sein«, antwortete van Damm. »Im Fernsehen sieht es wirklich übel aus, und entsprechend werden die Leute reagieren. Spontan und emotional. Wenn die Chinesen schlau genug sind, ein gewisses Einsehen zu zeigen, wird sich die Aufregung bestimmt wieder legen. Wenn nicht« – van Damm legte bedeutungsschwanger die Stirn in Falten –, »ahne ich nichts Gutes. Die Kirchen werden Himmel und Hölle in Bewegung setzen. Die Chinesen haben die Italiener und die Deutschen düpiert – unsere NATO-Verbündeten sind also auch verärgert darüber –, und dieser armen Frau ins Gesicht zu schlagen, wird ihnen auch nicht gerade die Sympathien der Frauenbewegung eintragen. Die ganze Angelegenheit ist ein einziges Fiasko für sie, aber ich bin nicht sicher, ob sie sich der Konsequenzen ihres Vorgehens bewusst sind.«
»Dann müssen sie es eben lernen«, stellte Goodley fest. »Auf die sanfte oder auf die harte Tour.«
Dr. Alan Gregory schien immer im selben Marriott am Potomac abzusteigen, in der Einflugschneise des Reagan National Airport. Er hatte wieder einmal die Morgenmaschine aus Los Angeles genommen, ein Flug, der im Laufe der Jahre trotz Routine nicht
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