Im Zeichen des Drachen: Thriller (German Edition)
bis dahin hätte der Verkauf des sibirischen Rohöls so viel Devisen eingebracht, dass man auch Öl aus anderen Quellen würde einkaufen können, das sich sehr viel einfacher und kostengünstiger in russische Häfen transportieren und von dort durch die bereits bestehenden Pipelines schleusen ließe. Verglichen mit den gewaltigen Kosten, die eine zu bauende Pipeline von Sibirien nach Russland verschlingen würde, wäre die Differenz zwischen Verkaufs- und Einkaufspreis durchaus zu vernachlässigen. Und außerdem wurden solche Entscheidungen normalerweise nicht so sehr aus wirtschaftlichen als aus politischen Erwägungen heraus getroffen.
Zur selben Zeit und knapp 1000 Kilometer weit entfernt, nämlich im Sayan-Gebirge, war ein anderes Geologenteam unterwegs. Nomadisierende Rentierhalter, die dort beheimatet waren, hatten einen Vorposten der Regierung aufgesucht und ihm gelb schimmernde Gesteinsbrocken vorgelegt. Jahrhundertelang war diesen Steinen keinerlei Bedeutung beigemessen worden, und erst kürzlich hatte die Moskauer Lomonossow-Universität jenes besagte Team auf den Weg geschickt. Weil ihre Ausrüstung nicht sonderlich schwer war, hatten die Forscher mit dem Flugzeug anreisen und den Rest der Strecke auf Pferderücken zurücklegen können – ein komischer Anachronismus, waren die Männer doch an bequeme Fahrten mit der Moskauer U-Bahn gewöhnt.
Als Erstes suchten sie einen über 80-jährigen Greis auf, der noch immer seine Herde hütete und sich mit einer Flinte vor Wölfen schützte. Seit dem Tod seiner Frau vor über 20 Jahren lebte er allein. Dass es ihn überhaupt gab, wussten nur ein paar Ladenbesitzer in einer schäbigen, 30 Kilometer südlich gelegenen Ortschaft. Sein geistiger Zustand entsprach der langen Isolation. Es gelang ihm, drei oder vier Wölfe im Jahr zu schießen, denen er wie jeder andere Jäger die Häute abzog. Doch er hatte eine ganz eigene Art der Verwendung für die Felle. Er beschwerte sie mit Steinen und tauchte sie ins Wasser des Baches, der an seiner Hütte entlang floss.
Die griechische Mythologie erzählt von Jason, dem Führer der Argonauten, und seiner heldenhaften Suche nach dem Goldenen Vlies. Dass es sich dabei nicht nur um ein Fantasiegebilde handelte, war erst seit kurzem bekannt. Die Bewohner Kleinasiens hatten aus ihren Flüssen mit Hilfe von Schafsfellen Goldstaub geseiht, der sich in den Wollfasern verfing und diese golden einfärbte.
So auch hier. Die Wolfsfelle, die die Geologen in der Einsiedlerhütte vorfanden, machten anfangs auf sie den Eindruck wertvoller Goldschmiedearbeit aus dem Ägypten der Pharaonen. Dann stellten sie fest, dass jedes Fell rund 60 Kilogramm wog und der Alte nicht weniger als 34 Stück davon besaß! Bei einer Flasche Wodka erfuhren die Wissenschaftler, dass Pawel Petrowitsch Gogol – so der Name des Alten – im großen vaterländischen Krieg gegen die Faschisten als Scharfschütze gekämpft hatte, vor allem bei Kiew und Warschau, und für seine Treffsicherheit zweimal zum Helden der Sowjetunion ernannt worden war. Nach dem Krieg hatte man ihm die Rückkehr in das Land seiner Vorfahren erlaubt – wie sich herausstellte, stammte er von den russischen Abenteurern ab, die zu Anfang des 19. Jahrhunderts nach Sibirien gezogen waren. Dort geriet er in Vergessenheit und die örtlichen Behörden hatten ihn bald abgeschrieben. Niemand fragte sich, woher das Rentierfleisch kam, das auf den regionalen Märkten angeboten wurde, oder wer der alte Kauz war, der da mit Pensionsscheinen Munition für seine alte Flinte einkaufte. Pawel Petrowitsch wusste um den Wert des gefundenen Goldes, gab aber nie etwas davon aus, weil er mit seinem einsamen Leben rundum zufrieden war. Nur wenige Kilometer oberhalb jener Stelle am Bach, wo die Wölfe ihr letztes Bad nahmen, entdeckten die Geologen ein Golddepot, das auf den ersten Blick so groß war wie jener historische Fund in Südafrika, der schließlich die größte Goldmine der Welt offenlegte. Dass das hiesige Gold so lange unentdeckt geblieben war, hatte mehrere Gründe, die hauptsächlich auf das unwirtliche Klima zurückzuführen waren, welches erstens eine systematische Erforschung dieser Gegend behinderte und zweitens die Gewässer zu Eis erstarren ließ, so dass der enthaltene Goldstaub nicht bemerkt wurde.
Beide Teams – sowohl die Öl- als auch die Goldsucher – führten Satellitentelefone mit sich, um schnell von ihren jeweiligen Funden berichten zu können, was sie dann zufällig am selben
Weitere Kostenlose Bücher