Im Zeichen des Drachen: Thriller (German Edition)
zwar schon mal zu Ohren gekommen, aber wir sind uns noch nicht begegnet. Meinen Sie, das sollte sich ändern?«
»Könnte nicht schaden, wenn Ihnen an zuverlässigen Informationen gelegen ist.«
Ryan nickte. »Okay, ich werde Ellen bitten, Verbindung mit ihm aufzunehmen.« Ellen Sumpter, seine persönliche Sekretärin, saß fünf Schritte entfernt, jenseits der schweren Holztür zur Rechten. »Sonst noch was?«
»In der Sache des umgebrachten Moskauer Zuhälters wird weiter ermittelt. Noch liegen keine neuen Erkenntnisse vor.«
»Ach, wär das schön, wenn man wüsste, was in der Welt so alles vor sich geht, nicht wahr?«
»Wir tun unser Bestes.«
»Recht so.« Ryan klappte die Vorlagenmappe zu. »Sonst noch was?«
Goodley schüttelte den Kopf. »Mehr ist heute nicht im Angebot, Mr. President.« Dafür erntete er ein Schmunzeln.
4
ERMITTLUNGEN
Polizeiarbeit ist in jedem Land und in jeder Stadt gleich, dachte Mike Reilly. Es stellte sich überall die Aufgabe, Zeugen, Beteiligte und Opfer zu vernehmen.
In diesem Fall aber würde das Opfer keine Aussage mehr machen können. Der mit der Obduktion Awseijenkos beauftragte Pathologe sagte, dass er seit seinem Einsatz in Afghanistan keinen solch zerfetzten Leichnam mehr gesehen habe. Kein Wunder. Die zum Einsatz gebrachte Tatwaffe war dazu geschaffen, gepanzerte Fahrzeuge oder Stahlbeton zu durchschlagen. Ein Pkw hatte ihr nichts entgegenzusetzen, auch nicht ein so teurer wie der weiße Mercedes. Jedenfalls waren die einzelnen Körperteile schwer zu identifizieren. Immerhin fanden sich ein halber Unterkiefer und künstliche Zähne, die mit großer Sicherheit Gregori Filipowitsch Awseijenko zugeordnet werden konnten. Die Blut- und DNA-Proben räumten schließlich allen Zweifel aus. Äußerlich war der Tote nicht wieder zu erkennen. Das Gesicht fehlte gänzlich, und auch der linke Unterarm, den eine Tätowierung geziert hatte, war nicht mehr aufzufinden. Der Tod sei sofort eingetreten, sagte der Pathologe, nachdem die Überreste in Plastikbehälter verpackt worden waren, um später in eine Eichenkiste umgebettet und schließlich ins Krematorium gebracht zu werden. Bevor die Leiche verbrannt werden konnte, musste die Moskauer Miliz allerdings noch feststellen, ob es Verwandte gab, die womöglich eine andere Art der Bestattung bevorzugten. Leutnant Prowalow hielt eine Einäscherung für angemessen. Sie war schnell, sauber und in der Endlagerung ebenso Platz sparend wie kostengünstig.
Prowalow ließ sich den Obduktionsbericht von seinem amerikanischen Kollegen zurückgeben. Neue Aufschlüsse zu gewinnen hatte er nicht erwartet, aber durch seine Verbindung zum FBI hatte er unter anderem gelernt, dass jede Möglichkeit gründlich zu prüfen war, denn vorauszusagen, über welchen Zugriff ein Kriminalfall gelöst werden konnte, war so wenig wahrscheinlich wie der richtige Tipp einer Totoreihe eine Woche vor den Spielen. In den Köpfen der Verbrecher ging es einfach zu kraus zu, als dass man ihnen ohne weiteres auf die Schliche kommen könnte.
Die Obduktion des Chauffeurs hatte, von der Feststellung der Blutgruppe abgesehen (die mit seiner Personalakte beim Militär verglichen werden würde, falls diese aufzutreiben war), keine brauchbaren Hinweise ergeben. Die Leiche war so verwüstet, dass sich persönliche Merkmale oder Eigenschaften nicht erkennen ließen. Allerdings waren verblüffenderweise seine Papiere in der Brieftasche völlig unversehrt geblieben, so dass sie mit großer Wahrscheinlichkeit wussten, um wen es sich da handelte. Das Gleiche galt für die Frau im Wagen, deren Handtasche mitsamt ihren Papieren rechts neben ihr auf der Rückbank gelegen und keinen Kratzer abbekommen hatte – was man von ihrem Gesicht und dem Oberkörper wahrlich nicht behaupten konnte. Reilly sah sich Lichtbilder der Ausweise an sowie ein Foto der Frau aus den Beständen der Miliz. Der Fahrer hatte ein sehr gewöhnliches Äußeres und war womöglich ein bisschen durchtrainierter gewesen als die durchschnittlichen Landsleute seines Alters. Die Frau, eine aktenkundige Hure, hätte, hübsch wie sie war, durchaus als Centerfold-Mädchen für den Playboy posieren können.
»Na, Mischka, bist du schon so abgebrüht, dass dich so was kalt lässt?«, fragte Prowalow.
»Willst du eine ehrliche Antwort?«, entgegnete Reilly und schüttelte den Kopf. »Nein. Mit Mord haben wir nicht so häufig zu tun, nur dann, wenn er auf staatseigenem Grund und Boden begangen wird – zum Beispiel in
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