Im Zeichen des Drachen: Thriller (German Edition)
wissen?«
»Ich glaube nicht. Scott Adler ist ein Karrierediplomat, überall hoch angesehen als ein erfahrener und geschickter Unterhändler. Er und Ryan kennen sich aus der Zeit, als Iwan Emmetowitsch noch Deputy Director der CIA war. Sie haben ein gutes Verhältnis zueinander und sind sich, was die Grundzüge ihrer Politik angeht, im Wesentlichen einig. Ich kenne Ryan schon über zehn Jahre. Er ist klug, entschlussfreudig und ein Mann von ungewöhnlicher persönlicher Integrität. Jemand, auf dessen Wort Verlass ist. Er war ein Feind der Sowjetunion, und ein findiger obendrein, aber seit wir ein anderes politisches System haben, ist er unser Freund. Es liegt ihm offensichtlich viel am wirtschaftlichen Aufschwung unseres Landes, auch wenn seine bisherigen Bemühungen, uns dabei zu unterstützen, etwas unzusammenhängend und konfus waren. Wie Sie wissen, haben wir den Amerikanern bei zwei Geheimoperationen beigestanden, eine davon gegen China, die andere gegen den Iran. Das ist insofern wichtig, weil Ryan deshalb das Gefühl hat, uns etwas schuldig zu sein. Und da er, wie gesagt, ein Ehrenmann ist, wird er diese Schuld sicher zurückzahlen wollen, solange er sich damit nicht in Konflikt mit seinen eigenen Sicherheitsinteressen begibt.«
»Wird ein Angriff auf China in diesem Licht betrachtet werden?« , fragte Präsident Gruschawoi.
Golowko nickte mit Nachdruck. »Ja, ich glaube schon. Wir wissen, dass Ryan im privaten Kreis gesagt hat, er schätze und bewundere die russische Kultur und würde es daher vorziehen, wenn Amerika und Russland strategische Partner würden. Daher glaube ich, Außenminister Adler wird uns substantiellen Beistand gegen China anbieten.«
»Was glauben Sie, in welcher Form?«
»Eduard Petrowitsch, ich bin Geheimdienstoffizier, kein Wahrsager …« Golowko hielt inne. »Bald werden wir mehr wissen, aber wenn Sie möchten, dass ich eine Vermutung äußere …«
»Tun Sie das«, verlangte der russische Präsident, worauf der SVR-Vorsitzende tief Luft holte und seine Prognose traf.
»Er wird uns einen Sitz im NATO-Rat anbieten.«
Das überraschte Gruschawoi. »Wir sollen der NATO beitreten?« , fragte er verblüfft nach.
»Es wäre die eleganteste Lösung des Problems. Es verbündet uns mit dem Rest von Europa und konfrontiert China mit einer ansehnlichen Schar an Feinden, sollte es uns angreifen wollen.«
»Und wenn sie uns dieses Angebot machen?«
»Sollten Sie es auf der Stelle annehmen, Genosse Präsident«, antwortete der Chef des SVR. »Wir wären schön dumm, wenn wir es nicht täten.«
»Was werden sie als Gegenleistung verlangen?«
»Was auch immer, es wird wesentlich weniger kostspielig sein als ein Krieg gegen China.«
Gruschawoi nickte langsam. »Ich werde darüber nachdenken. Und Sie halten es wirklich für möglich, dass Amerika Russland als Verbündeten akzeptiert?«
»Wenn Ryan es anbietet, hat er sich diesen Schritt bestimmt reiflich überlegt. Es passt zu seinem strategischen Gesamtkonzept und, wie gesagt, ich glaube, er ist ein aufrichtiger Bewunderer Russlands.«
»Obwohl er so lange bei der CIA war?«
»Natürlich. Gerade deshalb. Er kennt uns. Also müsste er uns auch schätzen.«
Darüber dachte Gruschawoi für eine Weile nach. Wie Golowko war er ein russischer Patriot, der den bloßen Geruch russischer Erde liebte, die Birkenwälder, Wodka und Borschtsch, die Musik und Literatur seines Landes. Aber er war sich auch sehr deutlich der Irrtümer und unglücklichen Wendungen bewusst, welche die Geschichte seines Landes im Laufe der Jahrhunderte genommen hatte. Wie Golowko war Gruschawoi in einer Nation aufgewachsen, die sich Union der sozialistischen Sowjetrepubliken genannt hatte, und im Glauben an den Marxismus-Leninismus erzogen worden. Doch wie viele andere auch hatte er irgendwann begriffen, dass das alte System einfach nicht funktionieren konnte. Aber im Gegensatz zu allen anderen, von einigen wenigen mutigen Männern abgesehen, hatte er ganz offen ausgesprochen, woran das System krankte. Gruschawoi war ursprünglich Anwalt gewesen, und das noch im alten Sowjetsystem, unter dem das Recht den politischen Launen unterworfen gewesen war. Doch anschließend hatte er sich für ein zuverlässiges und vernünftiges Rechtssystem stark gemacht, das den Menschen erlaubte, die Reaktion des Staates auf ihre Handlungen mit einer gewissen Sicherheit vorherzusehen. Er war dabei gewesen, als das alte System zusammenbrach, und hatte das neue System begeistert begrüßt.
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