Im Zeichen des Drachen: Thriller (German Edition)
Einzelheit hat unter uns zu bleiben.«
»Verstanden.« Akademiker oder nicht, Weaver hielt sich an die Spielregeln. »Das ist also die Bezeichnung für die besonderen Unterlagen, die Sie mir gezeigt haben?«
»Korrekt.«
»Eine verdammt gute Quelle, wer auch immer dahinter steckt. Die Berichte lesen sich wie ein Mitschnitt ihrer Zusammenkünfte und erfassen genau ihre Persönlichkeiten, speziell die von Zhang. Er ist der eigentliche böse Bube bei der Sache und hat Ministerpräsident Xu bereits so gut wie in der Tasche.«
»Adler hat ihn kennen gelernt, während der Pendelgespräche nach dem Airbus-Abschuss über Taipeh«, erwähnte Ryan.
»Und?«, fragte Weaver. Er kannte zwar den Namen und die Worte Zhangs, aber nicht den Mann selbst.
»Er ist sehr mächtig und nicht gerade ein netter Kerl«, erwiderte der Präsident. »Er hat bei unserem Konflikt mit Japan eine gewisse Rolle gespielt, und ebenso bei der Auseinandersetzung mit der Vereinigten Islamischen Republik im vorigen Jahr.«
»Ein Machiavelli?«
»Könnte man so sagen. Eher ein Theoretiker als ein Hauptdarsteller, die Sorte, die hinter den Kulissen agiert. An sich kein Ideologe, sondern jemand, der lieber in der wirklichen Welt mitmischt. Könnte man ihn als Patrioten bezeichnen, Ed?«, wollte Ryan vom DCI wissen.
»Unser Psychologe hat ein Profil erstellt.« Foley zuckte mit den Achseln. »Teils Soziopath, teils Politgauner. Ein Typ, der gern Macht ausübt. Keine bekannten persönlichen Schwachstellen. Sexuell sehr aktiv, aber das sind viele der Politbüromitglieder. Hängt wohl mit der Kultur zusammen, was, Weaver?«
»Mao verhielt sich ebenso, wie wir alle wissen. Und die Kaiser hatten einen ganzen Stall voller Konkubinen.«
»Ehe das Fernsehen erfunden wurde, hatten die Leute eben nichts anderes zu tun, nehme ich an«, bemerkte Arnie van Damm.
»Das ist tatsächlich nicht weit von der Wahrheit entfernt«, bestätigte Weaver. »Ein kulturelles Überbleibsel – und für manche Menschen eine grundlegende Art von persönlicher Macht, die sie ausleben wollen. Die Emanzipationsbewegung ist noch nicht bis in die Volksrepublik vorgedrungen.«
»Wahrscheinlich bin ich zu katholisch«, überlegte der Präsident laut, »aber die Vorstellung, wie Mao kleine Mädchen bespringt, verursacht mir Übelkeit.«
»Die Mädchen hatten nichts dagegen, Mr. President«, warf Weaver ein. »Einige schleppten sogar noch ihre jüngeren Schwestern an, nachdem sie mit dem Großen Führer im Bett gewesen waren. Es ist eben eine andere Kultur, in der andere Regeln gelten als in unserer.«
»Ja, sie sind ein klein wenig anders«, sagte der Vater zweier Töchter, von denen die eine gerade flügge wurde. Was war in den Vätern dieser kaum entwickelten Mädchen vorgegangen? Hatten sie sich geehrt gefühlt, dass der große Mao Zedong ihre Töchter entjungferte? Ryan lief es bei diesem Gedanken kalt über den Rücken, und er verdrängte ihn rasch. »Liegt ihnen überhaupt etwas an den Menschen? Wie sieht es mit ihren Soldaten aus?«
»Mr. President, die jüdisch-christliche Bibel wurde nicht in China geschrieben, und die Versuche von Missionaren, dort das Christentum zu etablieren, waren nicht sehr erfolgreich. Als Mao auf der Bildfläche erschien, ließ er die christliche Religion äußerst wirksam und dauerhaft unterdrücken, wie wir vor kurzem wieder einmal beobachten konnten. Ihre Ansicht von der Stellung des Menschen innerhalb der Natur unterscheidet sich massiv von unserer. Für sie hat ein einzelnes Menschenleben nicht so große Bedeutung wie für uns. Wir reden hier über Kommunisten, die alles durch die politische Brille sehen – und das noch zusätzlich in einer Kultur, in der das Leben des Einzelnen wenig gilt. Man könnte sagen, dass es sich aus unserer Sicht um eine unglückliche Kombination von Glaubenssystemen handelt.«
Unglücklich , dachte Ryan, das ist aber feinfühlig ausgedrückt. Dabei geht es um eine Regierung, die in ihrem Streben nach politischer Perfektion innerhalb von wenigen Monaten mal eben mehr als 20 Millionen ihrer Untertanen ermordet hat.
»Dr. Weaver, verraten Sie uns Ihren heißesten Tipp: Wie wird das Politbüro reagieren?«
»Sie werden weiter in die Richtung gehen, die sie bereits eingeschlagen haben«, erklärte Weaver sofort. Die Wirkung seiner Worte überraschte ihn.
»Verdammt, ist denn niemand hier der Ansicht, dass bei den Chinesen auf einmal gesunder Menschenverstand durchschlagen könnte?«, knurrte Ryan. Er blickte in
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