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Im Zeichen des Drachen: Thriller (German Edition)

Im Zeichen des Drachen: Thriller (German Edition)

Titel: Im Zeichen des Drachen: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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nötig, außerdem waren seine Männer durch falsche Bescheidenheit überhaupt nicht zu beeindrucken. Immerhin verkniff er sich den Alkohol, und das war wahrscheinlich mehr, als seine Feldwebel und Soldaten taten. Der russische Soldat liebt nun einmal seinen Wodka, und die Reservisten hatten sich bestimmt ihren eigenen Vorrat mitgebracht, um die nächtliche Kälte zu lindern – so würde zumindest ihre Ausrede lauten. Er konnte den Wodka per Befehl verbieten lassen, aber es machte wenig Sinn, eine Order zu erteilen, die seine Männer sowieso ignorieren würden. So etwas untergrub nur die Disziplin, und Disziplin war hier wirklich vonnöten. Sie musste allerdings aus den Männern selbst kommen. Bondarenko nannte sie in Gedanken ›die große Unbekannte‹. Nachdem Hitler im Jahr 1941 Russland angegriffen hatte, wurde es bald zu einer Legende, wie der einfache Mann vom Land sich ihm mit grimmiger Entschlossenheit entgegengestellt hatte. Vom ersten Tag des Krieges an hatte der Mut der russischen Soldaten den Deutschen zu denken gegeben. Auf dem Schlachtfeld hatte es ihnen möglicherweise an Geschick gemangelt, nie jedoch an Courage. Nach Bondarenkos Meinung brauchte man beides. Ein geschickter Mann musste nicht unbedingt sehr tapfer sein, denn Geschick konnte dort siegen, wo Tapferkeit nur Widerstand zu leisten vermochte. Übung. Immer lag es an ausreichender Übung. Bondarenko sehnte sich danach, die russischen Soldaten so zu drillen, wie die Amerikaner ihre Männer ausbildeten. Doch vor allem wollte er sie im Denken ausbilden, sie zum Denken ermuntern. Ein denkender deutscher Soldat hatte beinahe die Sowjetunion zerstört – in den Filmen wurde nie zugegeben, wie knapp es gewesen war, und selbst an den Generalstabsakademien erfuhr man kaum etwas darüber, aber während des Krieges war es drei Mal verteufelt eng gewesen. Doch aus irgendeinem Grund hatten die Kriegsgötter bei allen drei Gelegenheiten die Partei für Mütterchen Russland ergriffen.
    Wie würden diese Götter sich nun entscheiden? Das war die Frage. Würden seine Männer der Aufgabe gewachsen sein? Würde er der Aufgabe gewachsen sein? Es war sein Name, an den man sich erinnern würde – im Guten oder Schlechten –, nicht an die Namen der einfachen Soldaten, die ihre Gewehre vom Typ AK-74 trugen und die Panzer und Mannschafts-Transportwagen fuhren. Gennadi Josifowitsch Bondarenko, Generaloberst der russischen Armee, Oberbefehlshaber der Streitkräfte im Fernen Osten, Held oder Narr? Würden zukünftige Absolventen der Militärakademie seine Entscheidungen studieren und dann ob seiner Dummheit mit der Zunge schnalzen, oder würden sie aus Bewunderung für seine brillanten Manöver ungläubig die Köpfe schütteln?
    Er wäre besser, wieder ein einfacher Oberst zu sein, bei den Männern seines Regiments, und sein eigenes Gewehr zu tragen, wie damals in Duschanbe. Sich persönlich an Gefechten zu beteiligen und auf Feinde zu schießen, die man mit den eigenen Augen sehen konnte. Nun fiel ihm alles wieder ein – der Kampf gegen die Afghanen, die Verteidigung eines ungünstig gelegenen Wohnblocks in Schnee und Dunkelheit. An jenem Tag hatte er sich seine Orden erkämpft, aber Orden hatten immer nur mit der Vergangenheit zu tun. Die Menschen – sogar seine Mitsoldaten  – respektierten ihn wegen seiner Orden, wegen der hübschen Bänder und der Metallsterne und Medaillen, die von ihnen herabhingen, doch was bedeuteten die schon? Würde er den Mut aufbringen, den er als Befehlshaber benötigte? Jetzt und an diesem Ort war er sich sicher, dass diese Art von Mut seltener zu finden war als die Sorte, die aus bloßem Überlebenswillen entsprang. Jene Art Mut, die sich im Gesicht bewaffneter Männer zeigte, wenn sie einem das Leben nehmen wollten.
    In einem friedlichen Konferenzraum war es leicht, mit Zuversicht in die ungewisse Zukunft zu blicken, zu erkennen, was getan werden musste, Vorschläge zu machen und auf Standpunkten zu beharren. Doch heute befand er sich in seinem Quartier und hatte das Oberkommando über eine Armee, die größtenteils nur ein Papiertiger war, aber zufällig einer wirklichen Armee aus Männern und Stahl gegenüberstand. Und wenn er nicht mit dieser Situation fertig wurde, würde sein Name für alle Zeiten verflucht sein. Historiker würden seinen Charakter und seine Taten analysieren und sagen: »Nun ja, er war ein tapferer Oberst und sogar ein passabler Theoretiker, aber als es zu einem realen Kampf kam, war er der Aufgabe

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