Im Zeichen des Drachen: Thriller (German Edition)
besonders schwer daran zu knacken, weil sie mit Jungen ausgehen wollte (woran ihr Vater zu knacken hatte), und es wollte nie so recht eine romantische Stimmung aufkommen, wenn ein Wagen vorneweg fuhr und einer hinterher (falls der junge Mann am Steuer saß). Oder wenn die beiden in einer offiziellen Limousine chauffiert und von einem bewaffneten Mann begleitet wurden, was den jeweiligen jungen Mann meist schrecklich befangen machte. Dass Ryan gerade diesen Umstand sehr positiv fand, behielt er für sich, denn er wäre sonst Gefahr gelaufen, von seiner Tochter eine Woche lang geschnitten zu werden. Sallys Beschützerin Wendy Merritt war nicht nur eine exzellente Spezialagentin, sondern auch so etwas wie eine große Schwester. An mindestens zwei Samstagen pro Monat gingen die beiden mit einer dezimierten Eskorte in die Stadt zum Einkaufen. In Wahrheit war sie gar nicht dezimiert, es kam Sally Ryan nur so vor, wenn sie mit Wendy durch Tyson’s Corner über die Annapolis Mall bummelte und Geld ausgab, wofür Frauen eine genetische Prädisposition zu haben schienen. Dass diese Ausflüge über Tage im Voraus geplant, jeder Winkel vom Geheimdienst durchleuchtet wurde und dass ein unauffälliger Begleitschutz schon Stellung bezogen hatte, ehe sie mit SHADOW vor Ort aufkreuzte, war Sally Ryan nie in den Sinn gekommen. Nun, die Rendezvousprobleme nervten sie schon genug. Dazu kam, dass sie auf ihrem alltäglichen Weg zur St. Mary’s School in Annapolis von einer Gruppe von Männern begleitet wurde, die sie selbst als Schützentrupp zu bezeichnen pflegte. Ihr Bruder Little Jack fand diese Begleitung dagegen prima, zumal er vor kurzem in der Geheimdienstakademie von Beltsville zu schießen gelernt hatte (was ebenfalls den Nachrichtenmedien verschwiegen worden war, weil sonst auf der ersten Seite der New York Times gestanden hätte, dass der Präsident seinen Sohn zu einem Revolverhelden zu erziehen versuche). Little Jacks erster Leibwächter war ein junger Mann namens Mike Brennan, ein Bostoner irischer Abstammung mit feuerrotem Haar und offenem Lachen. Vor ihm hatten schon sein Vater und sein Großvater dem Geheimdienst gedient. Er hatte Baseball am Holy Cross College gespielt und trainierte nun häufig mit dem Präsidentensohn auf dem Südrasen des Weißen Hauses.
»Sir, Sie können tun und lassen, was Sie wollen. Wir verwehren Ihnen nichts«, sagte Price.
»Nein, Sie sind sehr viel subtiler«, bestätigte Ryan. »Sie wissen genau, wie einfühlsam ich bin, und erzählen mir so lange von den Schwierigkeiten, die Sie auf sich nehmen müssen, wenn ich mir mal irgendwo einen Hamburger kaufen möchte, bis mir der Appetit vergeht.« Der Präsident schüttelte den Kopf. Nichts fürchtete er mehr als den Gedanken, dass er sich an all diese ›Spezialitäten‹, wie er sie nannte, gewöhnen könnte. Es schien ihm, als hätte sich erst kürzlich herausgestellt, dass er königlichen Blutes war, weshalb er nun wie ein König behandelt wurde, der sich nicht einmal mehr den Hintern selbst abwischen konnte. Bestimmt hatten sich einige seiner Vorgänger in diesem Haus an diesen Zustand gewöhnt, doch er, John Patrick Ryan Senior, wollte das um alles in der Welt verhindern. Er wusste genau, dass er so außergewöhnlich nicht war und dieses ganze Brimborium gar nicht verdiente … und außerdem, wenn er morgens aufgewacht war, ging er wie jeder andere Mann auf der Welt als Erstes zur Toilette. Mochte er auch das höchste Staatsamt bekleiden, so hatte er immer noch eine proletarische Blase. Dem Himmel sei Dank dafür , dachte der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika.
»Wo ist Robby heute?«
»Der Vizepräsident ist heute in Kalifornien, am Navy-Stützpunkt von Long Beach. Er hält eine Rede auf der dortigen Werft.«
Ryan grinste verstohlen. »Ich nehme ihn ziemlich hart ran, nicht wahr?«
»Ein Vize hat gewisse Pflichten«, sagte Arnie van Damm von der Tür aus. »Und Robby soll sich mal nicht so anstellen«, fügte der Stabschef im Weißen Haus hinzu.
»Der Urlaub hat Ihnen offenbar gut getan«, sagte Ryan. Arnie hatte Farbe bekommen. »Was haben Sie so getrieben?«
»Ich habe fast nur am Strand gelegen und all die Bücher gelesen, für die ich sonst keine Zeit habe. Fast wäre ich vor Langeweile gestorben«, fügte er hinzu.
»Für Sie ist dieser Schund wohl geistige Nahrung«, bemerkte Ryan.
»Und ob. Hallo, Andrea«, sagte er und nickte kurz in ihre Richtung.
»Guten Morgen, Mr. van Damm.« Sie wandte sich an Jack.
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