Im Zeichen des Drachen: Thriller (German Edition)
mich von diesem Mann manipulieren? Dass er darauf keine Antwort wissen konnte, machte ihm Sorgen. Er vertraute Arnie womöglich nur deshalb, weil er ihm vertrauen musste. Ohne ihn wäre Jack aufgeschmissen. War das gut so?
Wahrscheinlich nicht, dachte Jack und warf einen Blick auf seinen Terminplan für den heutigen Tag. Aber was war schon gut daran, hier im Oval Office sitzen zu müssen? Einerseits erinnerte ihn Arnie an all das, was er an diesem Job nicht leiden konnte. Andererseits war Arnie hemmungslos geradeheraus, extrem fleißig und seiner Aufgabe als Staatsdiener mit Haut und Haar verpflichtet …
… wie jeder andere hier in Washington, D.C., soufflierte ihm sein Zynismus.
6
EXPANSION
Moskau liegt acht Stunden von Washington entfernt, was Diplomaten immer wieder ein Ärgernis ist, weil sie entweder der Zeit einen Tag hinterherhinken oder mit ihrer inneren Uhr so sehr aus dem Takt geraten, dass sie ihrer Arbeit nicht konzentriert nachkommen können. Dieses Problem stellte sich insbesondere für die Russen, denn gegen fünf oder sechs Uhr abends hatten sie schon ein paar steife Drinks intus, und ehe die amerikanischen Kollegen mit ihren ›Arbeitsessen‹ fertig waren und mit ihren Demarchen oder Kommuniqués auf eine russische Note vom Vortag reagierten, herrschte in Moskau schon tiefe Nacht. Natürlich waren in beiden Hauptstädten auch nachts Bedienstete im Einsatz, um solche Schriftsätze in Empfang zu nehmen, aber als Bedienstete oder diplomatischer Nachwuchs mussten sie sich immer zwischen zwei Übeln entscheiden: den Boss wegen einer Belanglosigkeit aus dem Bett zu klingeln oder bis nach dem Frühstück zu warten und zu riskieren, dass man sie dafür beschimpfte, eine Mitteilung äußerster Dringlichkeit zurückgehalten zu haben. An dieser Klippe war schon so manche hoffnungsvolle Karriere zerschellt.
In diesem besonderen Fall ging es allerdings nicht etwa einem Diplomaten ans Leder. Es war 18.15 Uhr. Die Frühlingssonne stand noch hoch über Moskau und kündete bereits von den ›weißen Nächten‹, für die der russische Sommer zu Recht berühmt ist.
»Ja, Pascha?«, sagte Leutnant Prowalow. Er hatte sich von Schablikow den Informanten Klusow überstellen lassen. Der Fall war so wichtig, dass er sich persönlich darum kümmern musste – zumal er Schablikow nicht so recht über den Weg traute. Ihm stand die Korruption allzu deutlich im Gesicht geschrieben.
Pawel Petrowitsch Klusow war auch nicht gerade ein Werbeträger für die Lebensqualität im neuen Russland. Bei einer Größe von nur knapp eins fünfundsechzig wog er immerhin fast 90 Kilo, eine Masse, die sich hauptsächlich durch die Aufnahme von Kalorien in flüssiger Form gebildet hatte. Wenn überhaupt, rasierte er sich schlampig, und mit Seife kam er anscheinend nur selten in Berührung. Seine Zähne waren krumm und schief und vom überreichen Genuss billiger Papirossy dunkelbraun. Er war 35 Jahre alt, und die Chancen, 45 zu werden, standen nach Prowalows Einschätzung fünfzig zu fünfzig. Ein großer Verlust für die Gesellschaft wäre er wohl kaum. Klusow war ein kleiner Ganove. Es mangelte ihm an Talent – oder Kaltschnäuzigkeit –, um ein größerer sein zu können. Allerdings kannte er größere. Wahrscheinlich, dachte Prowalow, hechelt er wie ein kleines Hühnchen um sie herum und leistet ihnen kleine Gefälligkeiten. Aber Klusow hatte gute Ohren, und seltsamerweise nahmen viele Kriminelle darauf keine Rücksicht.
»Awseijenko ist von zwei Killern aus St. Petersburg umgebracht worden. Ihre Namen kenne ich nicht, aber ich glaube, dass sie von Klemati Ivanowitsch Suworow angeheuert worden sind. Sie waren Soldaten der Spetsnaz und unter anderem in Afghanistan im Einsatz. Jetzt müssten sie Ende dreißig sein. Der eine ist blond, der andere rothaarig. Nach dem Anschlag auf Grischa sind sie noch vor Mittag mit einem Aeroflot-Flug in den Norden zurückgeflogen.«
»Haben Sie ihre Gesichter gesehen?«
Pascha schüttelte den Kopf. »Nein, Genosse Leutnant. Was ich weiß, habe ich von… einem Bekannten.« Klusow steckte sich an der Kippe der alten eine neue Zigarette an.
»Hat Ihr Bekannter auch gesagt, warum unser Freund Suworow den Zuhälter umgelegt hat?« Und wer zum Teufel ist dieser Klemati Ivanowitsch Suworow eigentlich? , fragte sich der Leutnant der Miliz. Dieser Name war ihm noch nie untergekommen, doch Klusow gegenüber wollte er lieber so tun, als wüsste er alles.
Der Informant zuckte mit den Achseln. »Beide
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