Im Zeichen des Drachen: Thriller (German Edition)
Dieser chinesische Soldat fasste die ihn umgebenden Bäume und Büsche häufig an, als müsse er sie für eine Studienarbeit genau untersuchen. Der Gärtner war klein und knochig und wirkte auf die Russen wie ein zwölfjähriger Knabe. Doch er schien äußerst fähig zu sein, trug sein Gewehr auf den Rücken geschwungen und benutzte regelmäßig sein Fernglas. Seinen Schulterstücken nach zu urteilen stand er im Rang eines Leutnants, wahrscheinlich war er der Anführer dieses Zugs. Seine Leute mussten sich ziemlich herumkommandieren lassen, aber dafür ging er bereitwillig an erster Position. Augenscheinlich war er sehr pflichtbewusst. Deshalb ist er auch derjenige, den wir als Ersten erschießen sollten , dachte Buikow. Auf ihrem BRM befand sich eine schöne Schnellfeuerkanone, Kaliber 30 mm, die den Gärtner noch aus einem Kilometer Entfernung in Dünger verwandeln konnte, aber Hauptmann Alexandrow hatte ihnen untersagt, sie zu benutzen. Schade. Buikow stammte aus dieser Gegend, hatte bisher als Waldarbeiter sein Brot verdient und war mit seinem Vater, einem Holzfäller, schon oft in den hiesigen Wäldern auf die Jagd gegangen. »Wir sollten ihn wirklich erschießen.«
»Boris Jewgeniewitsch, möchten Sie etwa den Feind auf unsere Anwesenheit aufmerksam machen?«, fragte Alexandrow seinen Feldwebel.
»Natürlich nicht, Genosse Hauptmann, aber die Jagdsaison ist…«
»… beendet, Feldwebel. Die Saison ist vorbei. Außerdem handelt es sich bei diesem Mann nicht um einen Wolf, den Sie zum Spaß abknallen können. Und… Deckung!«, befahl Alexandrow. Der Gärtner blickte mit seinem Feldstecher in ihre Richtung. Ihre Gesichter waren zwar bemalt und sie hatten Zweige an ihren Kampfanzügen befestigt, um ihre Umrisse zu verwischen, aber er wollte lieber kein Risiko eingehen. »Sie werden bald wieder vorrücken. Zurück zum Wagen.«
Der anspruchsvollste Teil des Drills verlangte von ihnen, keinerlei Spuren zu hinterlassen. Alexandrow hatte diesen Punkt mit seinen Fahrern diskutiert und gedroht, jeden zu erschießen, dessen Kettenabdrücke noch zu sehen waren. (Er wusste natürlich, dass er zu so etwas gar nicht fähig war – wovon seine Männer aber keine Ahnung hatten.) Die Fahrzeuge besaßen sogar verbesserte Auspufftöpfe, die jetzt wirklich geräuschdämpfend wirkten. Hin und wieder schafften es auch die Herren, die die russische Militärausrüstung entwarfen und bauten, einmal etwas richtig zu machen, und dies war so ein Fall. Außerdem ließen Alexandrows Fahrer ihre Fahrzeuge erst an, wenn die Chinesen die ihren starteten. Alexandrow blickte auf. Alles in Ordnung. Der Gärtner winkte seinen Männern mit einer Geste zu, die bedeutete, sie sollten ihre Wagen heranbringen. Dann vollführten die Chinesen einen weiteren Bocksprung, bei dem eine Abteilung auf ihrer Position verharrte und für Überwachung und Deckung sorgte, falls etwas passierte. Alexandrow beabsichtigte nicht, etwas passieren zu lassen, aber das konnten die Chinesen natürlich nicht wissen. Es überraschte ihn, dass sie auch am zweiten Tag ihre ausgeklügelte Vorgehensweise hundertprozentig beibehielten. Anscheinend waren sie sogar noch besser gedrillt, als er erwartet hatte, und folgten gewissenhaft ihrem festgeschriebenen Plan. Nun, bei ihm verhielt es sich ja auch nicht anders.
»Rücken wir auch vor?«, fragte Buikow.
»Nein, wir verhalten uns ruhig und beobachten sie. Wahrscheinlich halten sie an diesem kleinen Hügel mit dem Forstweg. Ich möchte herausfinden, wie durchschaubar sie sind, Boris Jewgeniewitsch.« Dann schaltete er sein Funkgerät ein. »Alles bereit halten, sie springen wieder.«
Der Mann am anderen Ende meldete sich mit etwas, das eher nach einer atmosphärischen Störung als nach einer gesprochenen Antwort klang. Gut, seine Männer hielten sich also an die Funkdisziplin. Die zweite Reihe der chinesischen Fahrzeuge bewegte sich mit ungefähr zehn Stundenkilometern vorsichtig an einer Lichtung entlang. Interessant , dachte Alexandrow, dass sie sich nicht besonders weit in die angrenzenden Wälder hineinwagen . Nie mehr als 200 oder 300 Meter. Dann zuckte er zusammen. Ein Hubschrauber knatterte über ihre Köpfe hinweg. Es handelte sich um eine Gazelle, beziehungsweise den chinesischen Nachbau dieses französischen Militärhubschraubers. Kein Grund zur Beunruhigung – sein Fahrzeug stand versteckt im Unterholz, und bei jedem Halt sprangen die Männer heraus, um das Tarnnetz darüber zu breiten. Auch seine Soldaten waren
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