Im Zeichen des Drachen: Thriller (German Edition)
vielleicht länger. Unsere Freunde aus Moskau wollen, dass wir vorerst Stillschweigen bewahren. Aber das ist kaum drin. Versuchen Sie mal, einen Sonnenaufgang geheim zu halten. In spätestens einem Monat weiß die ganze Welt Bescheid.«
»Und was ist mit dem Gold?«
»Meine Güte, George, darüber sagt man mir natürlich nichts. Aber mein Kontakt in Moskau hat mir gesteckt, dass die Katze eine Art Kanarienvogel verschluckt hat – so kommt’s ihm jedenfalls vor. Nach unseren Prognosen wird der Weltmarktkurs für Gold bis zu zehn Prozent absacken, sich aber wohl längst wieder erholt haben, wenn der Iwan anfängt, seine Nuggets zu verkaufen. Unsere russischen Freunde … nun, der reiche Onkel langt einmal kräftig zu und überlässt ihnen dann die ganze Chose.«
»Und uns stehen keine nachteiligen Auswirkungen ins Haus?«, fragte Winston.
»Im Gegenteil. Sie werden jede Menge schwerer Maschinen von uns kaufen müssen und brauchen Spezialwissen, das nur wir haben, und wenn schließlich gefördert wird, geht der Ölpreis runter, was auch nicht so schlecht für uns ist. Wissen Sie, ich mag die Russen. Die armen Schlucker haben lange Zeit nur Pech gehabt. Das könnte sich nun endlich mal ändern.«
»Von uns aus gern, Sam«, sagte TRADER. »Vielen Dank für Ihre Informationen.«
»Dafür könnten Sie mir eigentlich ein paar Prozent Steuern erlassen.« Ihr Sausäcke – das sagte er zwar nicht, aber Winston hörte es trotzdem und kicherte. »Bis dann, George.«
»Alles Gute, Sam, und noch mal danke.« Winston unterbrach die Verbindung und drückte die Kurzwahltaste neun.
»Ja?«, meldete sich eine vertraute Stimme. Auf diesen Anschluss hatten insgesamt nur zehn Personen Zugriff.
»Jack, ich bin’s, George. Mich hat gerade Sam Sherman von Atlantic Richfield angerufen.«
»Wegen Russland?«
»Ja. Das Feld ist 50 Prozent größer als erwartet und scheint damit das größte Vorkommen überhaupt zu sein, größer noch als die Lager am Persischen Golf. Die Erschließung wird zwar teuer, ist aber technisch kein Problem – es wird vermutlich anstrengend, wegen der Verhältnisse da oben, aber sie wissen, was zu tun ist. Eine neue Technologie ist nicht nötig, nur Geld – und das auch nicht übermäßig viel. Arbeitskraft ist da billiger als bei uns. Kurzum, die Russen werden reich.«
»Wie reich?«, fragte der Präsident.
»Es ist von Summen um die 100 Milliarden Dollar im Jahr die Rede. Und das über 20 Jahre, vielleicht länger.«
Jack stieß einen Pfiff aus. »Zwei Billionen! Das lohnt sich.«
»Richtig, Mr. President. An der Wall Street nennt man solche Summen ›real money‹.«
»Und was bedeutet das für Russlands Wirtschaft?«
»Schaden tut’s ihr wohl nicht«, antwortete der Finanzminister. »Es werden eine Menge Devisen ins Land kommen. Damit können sie sich dann leisten, was sie immer schon haben wollten, zum Beispiel endlich mal anständige Investitionsgüter. Sie könnten ihre Industrie generalüberholen, Jack, und eine ganz neue Zeitrechnung beginnen. Vorausgesetzt, sie verwenden das Geld richtig und bunkern es nicht in der Schweiz oder in Liechtenstein ein.«
»Können wir dabei helfen?«, fragte der Präsident.
»Darüber sollten wir uns vielleicht mit unseren russischen Amtskollegen unterhalten«, schlug Winston vor. »Wir könnten ihnen Aufbauhilfe anbieten. Das tut uns nicht weh und macht sich gut im Fernsehen.«
»In Ordnung, George. Arbeiten Sie bitte bis Anfang nächster Woche einen Plan aus, und dann überlegen wir uns, wie wir den Russen beibringen, dass wir Bescheid wissen.«
Sergei Golowko hatte wieder einmal Überstunden leisten müssen. Den SVR zu leiten war schon schwer genug, und dazu musste er jetzt auch noch Eduard Petrowitsch Gruschawoi, dem Präsidenten der russischen Republik, unter die Arme greifen. Denn dem standen Minister zur Seite, von denen die wenigsten wirklich kompetent waren. Die anderen waren wohl deshalb ins Kabinett berufen worden, weil sie in der Opposition gefährlich hätten werden können. Das konnten sie zwar auch von innen heraus, aber nicht so sehr. Dort würden sie nur kleinkalibrige Waffen in Anschlag bringen können, es sei denn, sie riskierten, sich selbst zu treffen.
Die gute Nachricht war, dass Wirtschaftsminister Wasili Konstantinowitsch Solomentsew sowohl intelligent als auch ehrlich war, was in dieser Kombination im politischen Spektrum Russlands ebenso selten war wie andernorts. Er hatte zwar auch seine ganz persönlichen
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